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ATEX-Produktrichtlinien

« Sicherheitsanforderungen im Geräte- und Anlagenbau »

Explosionen haben im Laufe der Geschichte immer wieder große Schäden angerichtet. Ein bekanntes Beispiel aus jüngerer Zeit ist die gewaltige Mehlstaubexplosion in der Bremer Rolandmühle im Jahr 1979, die 14 Tote forderte und einen Schaden von über 100 Millionen DM verursachte. Um solche Unglücke zu verhindern, wurde der Explosionsschutz gesetzlich geregelt und unter anderem auch die ATEX-Produktrichtlinie erlassen, die im folgenden Artikel näher beleuchtet werden soll.

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Kontrollierte Mehlstaubexplosion: Mehlstaub wird mittels Druckluft aufgewirbelt und mit einem Sprengzünder gezündet | © Hans-Peter Scholz – de.wikipedia.org

Was ist eine Explosion?

Definiert ist eine Explosion als ein plötzliches Freiwerden von Energie durch eine Oxidations- oder Zerfallsreaktion. Dadurch entstehen enorme Druckwellen und sehr viel thermische Energie.[1]

In erster Linie denkt man bei Explosionen an Sprengstoffe, wie Dynamit oder TNT (Trinitrotoluol), bei denen durch eine chemische, exotherme Reaktion hohe Energiemengen in kurzer Zeit freigesetzt werden. Eine Explosion kann aber auch durch die Entzündung einer explosionsfähigen Atmosphäre verursacht werden. Damit dies stattfinden kann, müssen generell drei Voraussetzungen erfüllt sein.

Zum einen muss ausreichend Sauerstoff vorhanden sein, zum anderen wird ein entflammbarer Stoff benötigt. Dies können brennbare Gase wie zum Beispiel Propan sein, Nebel und Dämpfe, wie bei Benzin, oder auch Stäube, wie bei einer Mehlstaubexplosion.

Ob es sich um ein explosionsfähiges Gemisch handelt, ist vom Mischungsverhältnis aus Sauerstoff und der genannten, entzündbaren Brennstoffe abhängig, wobei es hier immer eine obere und untere Explosionsgrenze gibt. Ist nun auch die dritte Voraussetzung, eine Zündquelle, vorhanden, führt dies zu einer Explosion. Solche Explosionen sind in der Regel nicht geplant, sondern stellen einen Unfall dar und können große Schäden anrichten.

Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten zur Verhinderung von Explosionen: Einerseits durch den Ausschluss von Zündquellen, andererseits durch die Vermeidung der Entstehung von gefährlichen Luftgemischen, beispielsweise durch Reduzierung des Sauerstoffanteils unter die Explosionsgrenze. Diese als „Inertisieren“ bezeichnete Verfahrensweise und insbesondere das Arbeiten unter einer „Schutzgas-Atmosphäre“, für die meist Stickstoff infrage kommt, sind vor allem für die Chemie-Industrie wirksame Maßnahmen zur Vermeidung von Explosionen.

Was ist ATEX?

Das wohl allererste explosionsgeschützte Betriebsmittel wurde bereits Anfang des 18. Jahrhunderts in England erfunden. In einem Wettbewerb wurde ein Preisgeld auf die Entwicklung einer Sicherheitslampe für den Bergbau ausgesetzt.

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Hervor ging im Jahr 1815 die nach dem Entwickler benannte „Davy-Lampe“, eine Öllampe mit Flammsieb. Durch die feine Maschung des abschirmenden Siebes konnte Luft zwar an die Flamme gelangen, diese jedoch nicht aus dem Inneren herausschlagen und zu einer Zündung führen so bot die Lampe effektiven Schutz im Bergbau.[2]

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Heute sind gesetzliche Anforderungen für solche Betriebsmittel in der ATEX-Produktionsrichtline 2014/34/EU festgehalten. Die Abkürzung ATEX steht für das französische “Atmosphères Explosibles“ (deutsch: explosive Atmosphären) und umfasst zwei EU-Richtlinien zum Explosionsschutz, die bereits genannte Produktionsrichtline 2014/34/EU und die Betriebsrichtlinie 1999/92/EG, wobei beide thematisch stark miteinander verknüpft sind.

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Wie alle EU-Richtlinien gelten sie für alle Mitgliedsländer der Europäischen Union und ihre Übertragung in nationales Recht ist vorgeschrieben. In Deutschland wurde dies im Rahmen der Explosionsschutzprodukteverordnung (11. ProdSV) umgesetzt.

ATEX-Produktrichtlinie 2014/34/EU (ATEX 114)

Die ATEX-Richtlinie 2014/34/EU, auch ATEX 114 genannt, trat 2016 in Kraft und löste die ursprüngliche Richtlinie 94/9/EG ab. Sie enthält Regeln zum Inverkehrbringen von elektrischen und nicht-elektrischen Produkten, die in Bereichen zum Einsatz kommen, in denen potenziell explosive Atmosphären entstehen können.

ATEX 114 betrifft Geräte, Komponenten und Schutzsysteme, die in der Tabelle 1 genauer definiert sind:

Tab. 1: Geräte, Schutzsysteme und Komponenten der ATEX-Richtlinie 2014/34/EU

Geräte Maschinen, Betriebsmittel, Vorrichtungen, Steuerungs- und Ausrüstungsteile
Schutzsysteme Explosionsunterdrückungssysteme, Explosionsentlastungssysteme und andere
Komponenten erforderliche Komponenten für den sicheren Betrieb von Geräten und Schutzsystemen

Wenn ein Unternehmen solche Produkte auf dem europäischen Markt vertreiben möchte, ist ein Konformitätsbewertungsverfahren durch die ATEX-Richtlinie vorgeschrieben. Abhängig vom Einsatzgebiet und dessen Explosionsrisiko werden die Gerätegruppe bestimmt und die erforderliche Prüfung durchgeführt.

Konforme Produkte werden anschließend mit dem EX- und mit dem CE-Kennzeichen gekennzeichnet.

Zudem wird vom vertreibenden Unternehmen eine EU-Konformitätserklärung für das Produkt abgegeben.

Eine EX-Produktkennzeichnung sieht relativ kompliziert aus, wie das folgende Beispiel für ein Gerät zur Verwendung in Gasatmosphären zeigt[3], anhand dessen die wichtigsten Merkmale der einzelnen Symbolgruppen erläutert werden:

ex-produktkennzeichnung

Auf der linken Seite beginnend ist die CE-Kennzeichnung im unteren Bereich angegeben. Dem hexagonal eingerahmten EX-Kennzeichen gemäß Richtlinie 2014/34/EU folgen die fünf wichtigen Symbolgruppen zur Charakterisierung der Geräte für den Einsatz in explosionsgefährdeten Bereichen.

Die Richtlinie unterteilt Produkte in die Gerätegruppen I, II und III je nach ihrer Verwendungsart, wie in der Tabelle 2 gezeigt ist:

Tab. 2: Gerätegruppen nach ATEX-Richlinie 2014/34/EU

Gruppe Geräte zur Verwendung in…
I Bergbau-/Übertage-/Untertagebetrieben
II explosionsgefährdeten Staub- und Gasatmosphären
III explosionsgefährdeten Staubatmosphären

Die beiden Gruppen I und II sind jeweils weiter in Gerätekategorien unterteilt. Gruppe I ist unterteilt in M1 und M2; die Gruppe II in 1, 2 und 3. Je höher die Wahrscheinlichkeit für die Entstehung einer explosionsfähigen Atmosphäre ist, desto höher müssen die Sicherheitsanforderungen an die eingesetzten Geräte sein.

Niedrigere Gruppenkategorien haben einen höheren Sicherheitsstandard. Durch einen nachgestellten Großbuchstaben wird angezeigt, ob das Produkt für Bereiche zugelassen ist, in denen es zur Entstehung von explosionsfähigen Atmosphären aus Gas, Dampf und Nebel = G (engl.: gas) oder aus Staub = D (engl.: dust) kommen kann. Es ist auch möglich, ein Produkt mit GD zu kennzeichnen, wenn es in beiden Bereichen eingesetzt werden kann.

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Je nach Gefährdung werden Zonen entsprechend ATEX 137 (siehe folgender Abschnitt) festgelegt, die mit den Gruppen und ihren Kategorien verknüpft sind.

Die Zündschutzart stellt ein bauliches Merkmal dar und gibt an, auf welche Weise das Gerät das Risiko für eine mögliche Zündquelle oder eine explosionsfähige Atmosphäre minimiert.

Die Explosionsgruppe gibt für die Gruppen II und III die Art des Gases bzw. Staubes mit Hilfe der Großbuchstaben A – C an, wobei die Explosionsgefahr von A nach C jeweils zunimmt, wie in der Tabelle 3 gezeigt ist:

Tab. 3: Explosionsgruppen der Gerätegruppen II und III

Untergruppe Beispiele – Gruppe II Gruppe III
A Methan, Kohlenstoffmonoxid, Diesel, Propan Fasern
B Ethylen, Schwefelwasserstoff Nichtleitfähige Stäube
C Wasserstoff, Acetylen Leitfähige Stäube

Des Weiteren werden Temperaturklassen T1 bis T6 für Gase durch die ATEX-Richtlinie festgelegt, die in der Tabelle 4 aufgelistet sind. Für Stäube werden die Temperaturen unmittelbar in °C angegeben.

Tab. 4: Temperaturklassen für Gase nach ATEX-Richlinie 2014/34/EU

Temperaturklasse Zulässige max. Oberflächentemperatur Zündtemperaturbereich d. Gas-Luft-Gemische
T1 450 °C > 450 °C
T2 300 °C 300 – 450 °C
T3 200 °C 200 – 300 °C
T4 135 °C 135 – 200 °C
T5 100 °C 100 – 135 °C
T6 85 °C 85 – 100 °C

ATEX-Betriebsrichtlinie 1999/92/EG (ATEX 137)

Durch die ATEX-Richtlinie 1999/92/EG (ATEX 137) wird eine Gefährdungsbeurteilung vorgeschrieben. Wird festgestellt, dass die Bildung von explosionsfähigen Atmosphären nicht ausgeschlossen werden kann, ist die Erstellung eines sogenannten „Explosionsschutzdokumentes“ vorgeschrieben, in dem verschiedene Zonen klassifiziert werden.

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Bei diesen Zonen kann es sich nicht nur um räumliche Bereiche innerhalb eines Unternehmens handeln, sondern auch um Bereiche innerhalb einer Anlage. Die Kennzeichnung von explosionsgefährdeten Zonen erfolgt durch gelbe, dreieckige Warnschilder mit den Buchstaben EX.

Die Einteilung und Benennung der ex Zonen erläutert die folgende Tabelle 5:

Tab. 5: Übersicht über die Bedeutung der einzelnen Zonen nach ATEX-Richtlinie 1999/92/EG

… ständig, über lange Zeiträume oder häufig vorhanden … bei Normalbetrieb gelegentlich vorhanden. … bei Normalbetrieb normalerweise nicht oder aber nur kurzzeitig vorhanden
Explosionsfähige Atmosphäre als Gemisch aus Luft und brennbaren Gasen, Dämpfen oder Nebeln… Zone 0 Zone 1 Zone 2
Explosionsfähige Atmosphäre in Form einer Wolke aus in der Luft enthaltenem brennbaren Staub … Zone 20 Zone 21 Zone 22

Die Zonen geben Auskunft darüber, welche Produkte aus welchen Produktgruppen in den einzelnen Zonen verwendet werden dürfen. In der folgenden Tabelle 6 ist beispielhaft gezeigt, welche Gerätekategorien der Gerätegruppe I in den jeweiligen Zonen verwendet werden dürfen.

Tab. 6: Zusammenhang zwischen Gerätekategorie der Gerätegruppe I und Zonen

Gerätekategorie Einsatz in…
1 Zonen 0, 1, 2, 20, 21, oder 22
2 Zonen 1, 2, 21 oder 22
3 Zonen 2 oder 22

Geräte der Gerätekategorie 1 besitzen die höchste Sicherheit und dürfen in allen Zonen verwendet werden, insbesondere aber in den am stärksten explosionsgefährdeten Zonen 0 und 20.

Wo sind die ATEX-Richtlinien wichtig?

In vielen Unternehmen und somit auch an vielen Arbeitsplätzen besteht die Gefahr, dass explosive Atmosphären entstehen. Dies können, wie eingangs bereits erwähnt, Mühlen-Unternehmen sein, bei denen explosionsfähige Mehlstäube entstehen oder auch Sägewerke oder Schreinereien, in denen sich Holzstäube in der Luft verteilen.

Grossbrand nach einer Explosion in Industrieanlagen
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Fein zerstäubte, brennbare Lösungsmittel sind zum Beispiel beim industriellen Lackieren unvermeidbar und kritische Gas-Luftgemische entstehen an Tanksäulen oder auch in Mülldeponien. Vor allem aber in großtechnischen, chemischen und pharmazeutischen Anlagen und in der Petrochemie ist die Bildung explosionsfähiger Atmosphären nicht immer auszuschließen. Die ATEX-Richtlinien helfen mit, einheitliche, hohe Sicherheitsstandards in Europa zu gewährleisten.

Quellen (Stand: 07.03.2019): 
[1] http://www.chemie.de/lexikon/Explosion.html
[2] https://oar.ptb.de/files/download/574e82f0a4949dd0373c986b
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Explosionsschutzkennzeichnung.svg
Weiterführende Informationen (Stand: 07.03.2019): 
https://www.tuev-sued.de/produktpruefung/dienstleistungen/explosionsschutzpruefungen/atex
https://www.netinform.net/GW/files/pdf/Ex_Schutz_Atex_EH.pdf