Quality Engineering 05.2020
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2 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> <strong>05.2020</strong>
Ansichten ::<br />
Digitalisierung<br />
mit Druck<br />
Wer hat denn im März damit gerechnet, dass in diesem<br />
Jahr aufgrund der Covid-19-Pandemie keine großen<br />
Fachmessen mehr stattfinden werden? Ich jedenfalls<br />
nicht. Und so war ich lange davon ausgegangen, dass<br />
die Vision Anfang November würde stattfinden können.<br />
Aber die Realität hat uns alle im Sommer eingeholt<br />
– leider. Doch eine Durchführung der Messe war<br />
wirklich keine Option. Die steigenden Infektionszahlen<br />
jetzt im Herbst bestätigen, dass diese Entscheidung der<br />
Messe Stuttgart richtig war. Das sehen auch viele Aussteller<br />
so – und genau so wie ich bedauern sie, dass wir<br />
uns dieses Jahr nicht in Stuttgart treffen. Das haben<br />
wir mit in unserer Umfrage zur Vision herausgefunden,<br />
die Sie ab Seite 27 finden. Und damit sie trotz des Aus-<br />
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Die Digitalisierung ist<br />
in der Qualitätssicherung<br />
nicht mehr<br />
aufzuhalten. AR, 5G,<br />
Blockchain und KI<br />
halten Einzug in den<br />
Fabriken<br />
Neu<br />
Sabine Koll, Redaktion<br />
qe.redaktion@konradin.de<br />
falls der Messe gut über Neuentwicklungen im Bereich<br />
der industriellen Bildverarbeitung informiert sind, haben<br />
wir ein ganzes Special zu dem Thema geschnürt.<br />
Außerdem werfen wir in dieser Ausgabe einen Blick auf<br />
Zukunftsthemen für die Qualitätssicherung. Wir klopfen<br />
im Fokusthema ab Seite 14 mit mehreren Artikeln<br />
ab, inwiefern sich Augmented Reality, 5G und Blockchain-Technologie<br />
nutzbringend einsetzen lassen. Bei<br />
den Recherchen waren wir selbst überrascht, welches<br />
Potenzial in diesen Digitaltechnologien steckt.<br />
Dies gilt natürlich auch für das Thema Künstliche Intelligenz,<br />
das wir aber nicht (mehr) als Future Trend sehen,<br />
weil es in den Fertigungsunternehmen längst Einzug<br />
gehalten hat, um die Qualität zu steigern. Wir haben<br />
wiederholt darüber berichtet. Und auch in dieser Ausgabe<br />
finden Sie spannende Beiträge dazu von Inspekto<br />
Werth Messtechnik GmbH<br />
und Deevio. Angesichts der starken Tendenzen zur Digitalisierung<br />
fragt die DGQ nicht zu unrecht, ob die klas-<br />
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sische Qualitätssicherung ein Auslaufmodell ist.<br />
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<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> <strong>05.2020</strong> 3
:: Inhalt<br />
▶ Technik mit Potenzial: Volvo<br />
nutzt Augmented Reality in der<br />
Qualitätssicherung von Motoren<br />
▼ Herausforderung Hairpins:<br />
VW nutzt spezielle Messtechnik für<br />
Fertigung von E-Motoren<br />
40<br />
14<br />
Management<br />
06 Topometric-Chef im Interview<br />
Andreas Tietz will sein Unternehmen in<br />
der Krise neu aufstellen<br />
08 Personal & Karriere<br />
Zukunftsfähige Firmen brauchen<br />
vorausschauende Personalarbeit<br />
09 Alles was Recht ist<br />
Präzise Sprache und Dokumentation<br />
relevanter Inhalte helfen im Streifall<br />
10 Qualitätssiegel<br />
TÜV Hessen macht Unternehmen<br />
sicher gegen Corona<br />
Im Fokus:<br />
Future Trends<br />
14 Augmented Reality<br />
Daten in Echtzeit auf die Brille –<br />
der Nutzen der virtuellen Technik<br />
in der Qualitätssicherung<br />
17 Eine Redaktion – zwei Meinungen<br />
Ist Augmented Reality im<br />
Privatleben sinnvoll?<br />
18 5G in der digitalen Fabrik<br />
Sensordaten in Echtzeit<br />
für Industrie 4.0<br />
20 Blockchain<br />
Transparenz für Qualitätsmanagement<br />
in der Lieferkette<br />
Bildverarbeitung<br />
24 CEO von Stemmer Imaging<br />
Arne Dehn spricht über Trends und die<br />
Auswirkungen der Digitalisierung<br />
27 Statements zur Vision<br />
Die Branche hofft auf die Messe<br />
im kommenden Jahr<br />
30 Blitz-Controller<br />
Integrierte Steuerungseinheit<br />
reduziert Aufwand und Kosten<br />
32 Schnelle Produktionsprozesse<br />
Technik-Kombi ermöglicht<br />
Inspektion bei vollem Speed<br />
34 100-Prozent-Prüfung<br />
Rotationssymmetrische<br />
Objekte im 360-Grad-Blick<br />
36 Machine Learning<br />
Visuelle Prüfungen<br />
mit Intelligenz<br />
38 Autonome Lösung<br />
Plug & Play für die<br />
Bildverarbeitung mit KI<br />
Technik<br />
40 Elektromotor<br />
Messtechnik ist Schlüssel für die<br />
Serienfertigung bei Volkswagen<br />
43 Rauheitsmessung<br />
Mobiles Messgerät sichert den<br />
richtigen Schliff in der Ski-Produktion<br />
46 Verzahnungsmessung<br />
Optischer Sensor reduziert<br />
Messzeiten drastisch<br />
48 CT und Statistik<br />
Software-Verknüpfung schafft<br />
durchgängigen Qualitäts-Workflow<br />
50 Automatisierung<br />
Cobots bieten Flexibilität<br />
für Tests und Analysen<br />
52 News und Produkte<br />
4 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> <strong>05.2020</strong>
◀ Arne Dehn spricht über<br />
Deep Learning und Cloud in<br />
der Bildverarbeitung<br />
24<br />
▼ Die Messe Vision ist verschoben:<br />
Die Branche erklärt,<br />
was das für sie bedeutet<br />
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<strong>Quality</strong> World<br />
56 Intelligenter Obstanbau<br />
Mit Hyperspektralanalyse<br />
Schädlingen auf der Spur<br />
59 Firmenindex<br />
59 Impressum<br />
Da<br />
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<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> <strong>05.2020</strong><br />
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:: Management<br />
Im Interview: Andreas Tietz<br />
„Die Krise hat uns wachgerüttelt“<br />
Messtechnik-Dienstleister haben es in Zeiten der Covid-19-Pandemie<br />
schwer: Topometric will laut Geschäftsführer Andreas Tietz die Krise als<br />
Chance nutzen, um sich neu aufzustellen. Dazu gehört eine breitere<br />
Branchenorientierung mit entsprechendem Vertrieb.<br />
Andreas Tietz, Geschäftsführer<br />
von Topometric,<br />
sieht das Outsourcing<br />
von Messräumen und<br />
-Aufgaben als eine<br />
Chance für sein Unternehmen<br />
Bild: Topometric<br />
Tietz: Das betraf und betrifft beides, aber speziell in der<br />
Dienstleistung wurden Aufträge gestoppt. Dieser Markt<br />
ist nicht nur für uns rigoros eingebrochen. Das ist auch<br />
nachvollziehbar, denn viele unserer Kunden haben<br />
durch den Lockdown keine Teile mehr fertigen können,<br />
weil Lieferketten unterbrochen waren. Und wenn man<br />
nichts fertigen kann, muss auch nichts gemessen werden.<br />
Da ist uns erstmal bewusst geworden, wie vernetzt<br />
unsere Arbeitswelt ist.<br />
:: Das heißt, Sie führen den Auftragsrückgang auf die<br />
Covid-19-Pandemie zurück?<br />
Tietz: Nein, den schwarzen Peter kann ich nicht komplett<br />
auf Corona schieben, die Pandemie beschleunigt<br />
aber den Umbruch in der Automobilbranche. Seit dem<br />
vergangenen Jahr haben wir schon eine nicht unerhebliche<br />
Unsicherheit auf dem Automotive-Markt gespürt.<br />
Topometric hatte aber das Glück, bis Anfang 2020 davon<br />
noch sehr wenig zu spüren. Wir hatten eine sehr gute<br />
Auftragslage in diesem Bereich. Daher kam der Einbruch<br />
durch Corona für uns auch sehr massiv.<br />
Die Autorin<br />
Sabine Koll<br />
Redaktion<br />
<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong><br />
:: Herr Tietz, Topometric hat ein starkes Standbein in<br />
der Automobilindustrie. Die Branche war stark vom<br />
Lockdown betroffen. Außerdem befindet sie sich in einem<br />
strukturellen Umbruch, die OEMs sparen derzeit an<br />
allen Ecken und Enden. Wie stark bekommt das ein<br />
Messdienstleister zu spüren?<br />
Tietz: Das Geschäft ist für uns derzeit tatsächlich<br />
schwierig. Wir haben in den vergangenen Jahren mehr<br />
als die Hälfte unseres Umsatzes mit der Automobilindustrie<br />
gemacht, sind mit der Branche gewachsen. Davon<br />
ist nun vieles mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie<br />
weggefallen. Einige Kunden haben von heute auf<br />
morgen langfristige Abrufe pausiert oder reduziert, sodass<br />
wir uns im März und April gefragt haben: Wie weit<br />
geht es noch nach unten?<br />
:: Waren das Messdienstleistungen beim Kunden vor<br />
Ort oder auch bei Ihnen im Haus?<br />
:: Hatten oder haben Sie Kurzarbeit ?<br />
Tietz: Ja, wir haben seit dem zweiten Quartal Kurzarbeit,<br />
im Dienstleistungsbereich sogar in erheblichem Maß.<br />
Wesentlich besser sieht es im Bereich Automation aus,<br />
der Robotermesszellen liefert und baut. Dabei handelt es<br />
sich um langfristige Großprojekte, die – toi, toi, toi – das<br />
ganze Jahr komplett durchlaufen und nicht gestoppt<br />
wurden. Das gilt auch für die Automobilindustrie. Kurzarbeit<br />
hatten die Kollegen in diesem Bereich nur, wenn notwendige<br />
Komponenten nicht geliefert werden konnten.<br />
:: Anders als die Automobilindustrie läuft die Medizintechnik<br />
sehr gut. Merken Sie das auch?<br />
Tietz: Wir registrieren definitiv eine stärkere Nachfrage<br />
in dem Bereich, können aber auch nicht sagen, dass uns<br />
die Anfragen überrollen. Prinzipiell hatten bei uns in<br />
den vergangenen Jahren die Branchen Automotive sowie<br />
Luft- und Raumfahrt den größten Fokus. Von deren<br />
Wachstum haben wir uns treiben lassen und dadurch<br />
andere Branchen etwas aus dem Blick verloren. Die derzeitige<br />
Krise hat uns aber wachgerüttelt – und uns auch<br />
die Zeit gegeben, über unsere Unternehmensstrategie<br />
und -strukturen nachzudenken. Das war in den letzten<br />
Jahren gar nicht möglich. Wir waren ja froh, das permanente<br />
Wachstum stemmen zu können. Jetzt stellen wir<br />
uns neu auf.<br />
6 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> <strong>05.2020</strong>
:: Was heißt, Sie stellen sich neu auf?<br />
Tietz: Wir haben den Vertrieb verstärkt und umstrukturiert.<br />
Der Hintergrund ist, dass wir in den vergangenen<br />
Jahren den Vertrieb recht stiefmütterlich behandelt haben,<br />
weil wir Sorge hatten, dass wir die Anzahl der Projekte<br />
dann gar nicht mehr würden stemmen können.<br />
Aus der komfortablen Situation sind wir plötzlich aufgeweckt<br />
worden. Unser Fokus im Vertrieb liegt nun darauf,<br />
mehr als in der Vergangenheit in die Breite zu gehen –<br />
und beispielsweise den Bereich Medizintechnik auszubauen.<br />
Kleinere Vertriebseinheiten sind nun in einen<br />
Vertrieb konsolidiert. Und dieses Team sitzt nun gemeinsam<br />
in einem komplett neuen Büro. Das bedeutet,<br />
wir investieren jetzt in den Vertrieb. Ohne Corona hätten<br />
wir dafür nicht den Mut und auch die Zeit gehabt.<br />
Insofern begreifen wir die Krise auch als Chance.<br />
:: Sie haben neben Ihrem Hauptsitz in Göppingen auch<br />
noch zwei Standorte in Bayern. Denken Sie an ein weiteres<br />
Wachstum?<br />
Tietz: Aktuell beschäftigen wir knapp 80 Mitarbeiter an<br />
den drei Standorten. Damit sind wir in Deutschland<br />
schon einer der großen Messdienstleister. Und mit unserem<br />
Leistungsangebot, mit dem wir die gesamte<br />
Bandbreite der Messtechnik bedienen, sind wir meines<br />
Wissens einzigartig: Wir bieten optische und taktile<br />
Messtechnik, Computertomographie, Automatisierung,<br />
Schulungen und den Vorrichtungsbau. Insofern sind wir<br />
sehr breit aufgestellt. Wachstum ist für uns als inhabergeführtes<br />
Unternehmen aber kein Selbstzweck – und in<br />
der derzeitigen Situation ist es eh’ kein Thema. Dies käme<br />
für uns nur dann in Frage, wenn ein Kunde ein langfristiges<br />
Projekt mit einer gesicherten Auslastung bei<br />
uns platziert.<br />
:: Sehen Sie das Outsourcing von Messräumen und<br />
-Aufgaben als eine Chance für Topometric?<br />
Tietz: Erste Gespräche mit großen Unternehmen, vor allem<br />
aus der Automobilbranche, haben bereits stattgefunden,<br />
da könnte uns die Krise in die Karten spielen.<br />
Viele Unternehmen suchen derzeit nach Lösungen, um<br />
die internen Kosten zu senken. Und dafür stehen wir zur<br />
Verfügung. Aufgrund unserer Firmengröße können wir<br />
solche Aufträge realisieren, ohne uns von einzelnen Auftraggebern<br />
abhängig zu machen.<br />
:: Sehen Sie weitere Veränderungen auf Messdienstleister<br />
zukommen?<br />
Tietz: Generell merken wir schon seit längerem, dass<br />
das Tagesgeschäft mit kleineren und regelmäßigen Aufträgen<br />
weniger wird – also das, was früher bei uns das<br />
Brot- und Butter-Geschäft war. Viele Kunden haben<br />
mittlerweile in Messtechnik investiert und erledigen<br />
viele einfache Messaufgaben selbst. Die Bedienung der<br />
Systeme ist leichter geworden und bei einfachen Aufgaben<br />
kann man mit überschaubarem Invest gute Ergebnisse<br />
erzielen. Unser Job sind immer mehr Spezialaufgaben,<br />
also große, in die Tiefe gehende Projekte, bei denen<br />
unser Expertenwissen gefragt ist. Das hat enorm<br />
„Unser Job sind immer mehr Spezialaufgaben,<br />
in die Tiefe gehende Projekte, bei<br />
denen unser Expertenwissen gefragt ist“<br />
Andreas Tietz<br />
zugenommen. Damit wird auch die Qualifizierung unserer<br />
Mitarbeiter, auf die wir immer schon großen Wert<br />
gelegt haben, noch wichtiger.<br />
:: Finden Sie am Markt Mitarbeiter mit den Qualifikationen,<br />
die Sie brauchen für diese neuen Aufgaben?<br />
Tietz: Nein, das ist utopisch. Weiterbildung wird daher<br />
bei uns ganz groß geschrieben. Darüber hinaus haben<br />
wir an der Hochschule für Technik Stuttgart einen Lehrauftrag<br />
für Geodäsie. Das ist zwar nicht die klassische<br />
industrielle Messtechnik, aber der Brückenschlag ist<br />
leistbar. Durch dieses Engagement machen viele Studenten<br />
ihr Praxissemester und/oder ihre Bachelor- und<br />
Masterarbeit bei uns. Und so manch einer wird nach<br />
dem Studium unser Mitarbeiter.<br />
:: Apropos Aus- und Weiterbildung: Sie bieten ja auch<br />
Schulungen für Kunden an. Wie läuft dieses Geschäft zur<br />
Zeit?<br />
Tietz: Präsenz-Schulungen sind natürlich schwierig aktuell,<br />
aber wir haben gemerkt, dass die Kunden die Zeiten<br />
des Stillstands gerne für Weiterqualifizierung ihrer<br />
Mitarbeiter nutzen. So haben wir das intern übrigens<br />
auch gehandhabt, indem wir zum Beispiel einige Kollegen<br />
in Sachen Projektmanagement geschult haben, damit<br />
sie künftig noch effizienter Großprojekte umsetzen<br />
können. Remote-Individualschulungen waren von Kunden<br />
stark gefragt. Dieser Trend wird langfristig sicher<br />
nicht anhalten, weil der persönliche Kontakt doch ein<br />
anderer ist.<br />
:: Sie bieten in Ihrem Haus Dienstleistungen und Schulungen<br />
unterschiedlichster Messtechnikhersteller an.<br />
Hier überschneiden sich doch sicherlich auch mal die Interessen.<br />
Ist das kein Problem?<br />
Tietz: Nein, das haben wir immer mit dem nötigen Fingerspitzengefühl<br />
im Griff. Der Mehrwert von Aufträgen<br />
bei uns als herstellerunabhängiger Messdienstleister ist<br />
für den Kunden, dass wir nicht die rosarote Brille des<br />
einzelnen Systemanbieters aufsetzen und in der Lage<br />
sind, auch mal einen Blick über den Tellerrand hinaus zu<br />
werfen. Wir haben große praktische Erfahrungen mit<br />
vielen unterschiedlichen Messsystemen und -technologien<br />
gesammelt, sodass wir auch objektiver als ein Hersteller<br />
Empfehlungen geben können, wann welche<br />
Technologie sinnvoll ist oder an ihre Grenzen stößt. Wir<br />
sind diejenigen mit der Hand an der Schippe, also Praktiker<br />
und nicht Theoretiker.<br />
■<br />
<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> <strong>05.2020</strong> 7
:: Management<br />
Vorausschauende Personalarbeit<br />
Die Unternehmensführung muss ihre Organisation so ausrichten, dass sie für<br />
künftige Herausforderungen und Krisen gewappnet ist. Das gilt auch für das<br />
Personalmanagement. Denn zukunftsfähige Firmen brauchen vor allem<br />
zukunftsfähige Menschen. Das bedeutet, mit den Mitarbeitern nach neuen<br />
Gestaltungsmöglichkeiten zu suchen und auf deren Bedürfnisse einzugehen.<br />
Seit Anfang des Jahres hat uns die Coronakrise fest<br />
im Griff. Es wird wohl noch eine Weile dauern, bis<br />
sich die Wirtschaft wieder deutlich erholt und sich<br />
das auf den Geschäftserfolg der Unternehmen auswirkt.<br />
Bis dahin sind wir alle gefordert, bestmöglichst<br />
mit der Krise umzugehen, indem wir die damit<br />
einhergehenden Veränderungen annehmen<br />
und unsere Unternehmen zukunftsfähig machen.<br />
Personal & Karriere<br />
Die Beratungsgruppe<br />
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regelmäßig über<br />
Personal und Karriere,<br />
www.wirth-partner.com<br />
Die Autorin:<br />
Sabine Zapf<br />
Die Veränderungen kann man überall sehen: Insolvenzen,<br />
Personalabbau und langfristige Änderungen<br />
in den Märkten – ganz besonders schon<br />
sichtbar in der Automotive-Industrie oder auch<br />
Tourismusbranche. Auch Personalabbau findet –<br />
egal ob in kleinen, mittelständischen oder großen<br />
Unternehmen – auf allen Ebenen statt. Firmen<br />
überdenken ihre Personalsituation und nutzen sie<br />
für eine gründliche Neuausrichtung der gesamten<br />
Organisation.<br />
Methoden und Konzepte zur<br />
Bewältigung der Krise<br />
Was bedeutet das alles für die Unternehmensführung?<br />
Sie muss ihr Unternehmen so ausrichten,<br />
dass es nicht nur unter den jetzt bekannten Rahmenbedingungen<br />
und Gesetzmäßigkeiten funktioniert,<br />
sondern vor allem auf neue, unerwartete<br />
Herausforderungen, Entwicklungen und Veränderungen<br />
erfolgreich reagieren kann. Das „In-Fragestellen“<br />
des bisherigen und das Akzeptieren des<br />
Neuen beziehungsweise Anderen ist dabei ein<br />
Kerngedanke, um ein Unternehmen zukunftsfähig<br />
zu machen.<br />
Zwar ist das Arbeiten von Zuhause nicht für jeden<br />
Mitarbeiter und für jede Position geeignet beziehungsweise<br />
auch nicht immer sinnvoll. Dennoch<br />
setzen sich bei vielen, besonders größeren Firmen<br />
das Home Office und die damit verbundenen virtuellen<br />
Meetings immer mehr durch – was vor der Corona-Pandemie<br />
noch selten denkbar war.<br />
Um am Markt wettbewerbsfähig sein zu können<br />
beziehungsweise auf die veränderten Marktstrukturen<br />
reagieren zu können (zum Beispiel Änderung<br />
und Verzögerung der Lieferketten, Absatzprobleme<br />
des eigenen Produktes im Markt) müssen sich Unternehmen<br />
mit ihren Mitarbeitern zusammensetzen<br />
und nach neuen Gestaltungsmöglichkeiten suchen.<br />
Hierfür ist es essenziell, dass Vorgesetzte,<br />
Teamchefs aber auch das gesamte Management<br />
auf die Mitarbeiter und deren Bedürfnisse sowie<br />
Sorgen eingehen.<br />
Mitarbeiter wünschen sich<br />
mehr Zusammenhalt<br />
Was wünschen sich die Beschäftigen nach der Krise?<br />
Als Antwort darauf lässt sich sagen: mehr Zusammenhalt,<br />
auch über klassische Hierarchien hinweg,<br />
höhere Flexibilität, weniger Bürokratie, aber<br />
auch einen sicheren Arbeitsplatz, entsprechendes<br />
Einkommen und an die neue Situation angepasste<br />
Aufgabenstellungen und Herausforderungen.<br />
Ein Unternehmen ist kein theoretisches Gebilde,<br />
sondern die Summe aller es gestaltenden und in<br />
ihm wirkenden Menschen. Um es zukunftsfähig<br />
auszurichten, müssen auch zukunftsfähige Menschen<br />
im Unternehmen sein. Damit zeigt sich wieder,<br />
dass Personalmanagement die zentralste und<br />
wichtigste Aufgabe der Unternehmensführung ist.<br />
Die „richtigen“ Mitarbeiter zu finden, auszuwählen,<br />
zu fördern und einzusetzen stellt damit die entscheidende<br />
Basis dar, damit ein Unternehmen erfolgreich<br />
bleibt oder wird.<br />
Denn die Aufgabe, neue und bessere Produkte<br />
zu entwickeln und mit effizienteren Methoden zu<br />
produzieren, übernimmt kein Computer. Das machen<br />
Menschen. Das gilt beispielsweise auch dafür,<br />
neue Märkte zu definieren und Kunden zu gewinnen.<br />
Das Management ist deshalb mehr als zuvor<br />
aufgefordert, als Vorbild zu agieren, um Mitarbeiter<br />
für zukünftige Herausforderungen zu begeistern<br />
und zu motivieren.<br />
■<br />
8 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> <strong>05.2020</strong>
Klare Worte helfen im Streitfall<br />
Der Ausfall von Teilen verursacht oft erhebliche Kosten und führt zu<br />
Problemen zwischen Kunde und Lieferant. Dann rechtlich und kaufmännisch<br />
die Verantwortung zu verteilen, kann kompliziert und langwierig sein.<br />
Dabei helfen vor allem eine präzise Sprache und die Dokumentation<br />
relevanter Inhalte.<br />
<br />
Viele Kunden machen es sich recht einfach<br />
und nehmen den Standpunkt ein, dass der<br />
Zulieferer für das von ihm (mit-)entwickelte<br />
und gelieferte Teil vollumfänglich verantwortlich<br />
ist und er demnach für alle Negativkonsequenzen<br />
geradestehen muss. Das<br />
mag im Prinzip einleuchten, passt aber oft<br />
nicht auf die konkrete Situation. Die Lösung<br />
kann und muss im Einzelfall erfolgen,<br />
manchmal mag sie auch nicht eindeutig<br />
ausfallen.<br />
Beziehungen zwischen Kunde und Lieferant<br />
können – auch auf rechtlicher Ebene –<br />
sehr komplex sein. Das gilt dann auch für<br />
die Antworten auf die Frage, wer denn nun<br />
rechtlich wofür Verantwortung trägt. Dennoch<br />
sollten stets ein paar wichtige Grundprinzipien<br />
befolgt und bestimmte Fragen<br />
gestellt werden, da so die Näherung an eine<br />
Lösung gut möglich ist.<br />
Alles was Recht ist<br />
Regelmäßige Beiträge<br />
zu rechtlichen Themen<br />
liefert Reusch<br />
Rechtsanwälte,<br />
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Der Autor:<br />
Daniel Wuhrmann<br />
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Verantwortlichkeiten herausarbeiten<br />
Zwei wichtige Prinzipien, die bestenfalls systemisch<br />
im eigenen Unternehmen verankert<br />
und und unumgänglich gelebt werden<br />
sollten, sind erstens: Präzision in der Sprache.<br />
Und zweitens: Dokumentation relevanter<br />
Inhalte.<br />
Auch wenn es stark juristisch getrieben<br />
scheint, so relevant ist es doch, in der Formulierung<br />
von Lastenheften, Spezifikationen,<br />
RASI-Charts und anderen technischen Basisdokumenten<br />
eines Entwicklungsauftrages<br />
klar und nachweisbar herauszuarbeiten,<br />
wer wofür bis zu welchem Grade verantwortlich<br />
ist. Dies betrifft auch die Informationsgabe<br />
des Kunden hinsichtlich der Einsatzparameter<br />
im späteren Produktleben.<br />
Diese Informationen und Vereinbarungen<br />
haben unmittelbare Auswirkungen auf<br />
die rechtliche Basis, die für eine Haftungsverteilung<br />
bei späteren Problemen maßgebend<br />
ist. Man kann insoweit in der produzierenden<br />
Industrie, wie zum Beispiel in der<br />
Automobilzulieferindustrie oder im Maschinen-<br />
und Anlagenbau, eine Parallele zu Regelungen<br />
aus dem Werkvertragsbereich ziehen,<br />
die nicht stets unmittelbar auf das jeweilige<br />
Projekt anwendbar sind – aber womöglich<br />
in ihren Prinzipien.<br />
Interessant ist zum Beispiel § 645 BGB,<br />
der auszugsweise wie folgt lautet: „Ist das<br />
Werk vor der Abnahme infolge eines Mangels<br />
des von dem Besteller gelieferten Stoffes<br />
oder infolge einer von dem Besteller für<br />
die Ausführung erteilten Anweisung untergegangen,<br />
verschlechtert oder unausführbar<br />
geworden, ohne dass ein Umstand mitgewirkt<br />
hat, den der Unternehmer zu vertreten<br />
hat, so kann der Unternehmer einen der<br />
geleisteten Arbeit entsprechenden Teil der<br />
Vergütung und Ersatz der in der Vergütung<br />
nicht inbegriffenen Auslagen verlangen.“<br />
Diese und andere Regelungen des Werkund<br />
Kaufvertragsrechts zieht die Rechtsprechung<br />
regelmäßig heran, um zu einer Art<br />
„Faustformel“ zu gelangen. Diese lautet:<br />
Wenn der Kunde verbindliche Vorgaben<br />
macht, die nicht ganz offensichtlich fehlerhaft<br />
sind und er zudem noch weitergehendes<br />
Wissen als der Lieferant hat, kann er hierauf<br />
beruhende Mängel des daraufhin entwickelten<br />
Produktes (und die Folgen hiervon)<br />
später nicht beim Lieferanten regressieren.<br />
Mit diesem Prinzip vor Augen sollte<br />
man in die Gestaltung und Handhabe relevanter<br />
Vereinbarungen und Dokumentationen<br />
gehen. So individuell der Einzelfall und<br />
so unterschiedlich die Ergebnisse am Ende<br />
sein können: Derartige Strukturen helfen in<br />
jedem Fall.<br />
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<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> <strong>05.2020</strong> 9
:: Management<br />
Um die Qualität ihres<br />
Umgangs mit Corona bis<br />
in den kleinsten Prozess<br />
hinein durch eine unabhängige<br />
Prüfung deutlich<br />
zu machen, hat Fraport<br />
TÜV Hessen mit der<br />
Prüfung der Infektionsschutzmaßnahmen<br />
und<br />
-prozesse beauftragt<br />
Bild: TÜV Hessen<br />
Erste Organisationen haben das Qualitätssiegel „Sicher gegen Corona“ erhalten<br />
Robuste Prozesse schützen<br />
Menschen und Marken<br />
Mit dem Qualitätssiegel „Sicher gegen Corona“ können Unternehmen in der Pandemie den<br />
objektiven Nachweis erbringen, dass sie alles dafür tun, um sichere Arbeitsbedingungen für ihre<br />
Mitarbeiter zu schaffen und ihre Kunden und Partner vor gesundheitlichen Schäden zu schützen.<br />
Fraport, die ADAC Luftrettung und die Nationale Anti-Doping-Agentur gehören zu den Vorreitern.<br />
Der Autor<br />
Jürgen Bruder<br />
Mitglied der<br />
Geschäftsleitung<br />
TÜV Hessen<br />
www.tuev-hessen.de<br />
Der Vorgang ist bei genauerer Betrachtung eine Parabel<br />
auf die Harmonisierung von Interessen an der Schnittstelle<br />
von Unternehmen und Verbrauchern, Betriebsund<br />
Volkswirten, Behörden und Politik: Im Moment der<br />
allgemeinen Not, in der eine unsichtbare Bedrohung<br />
vielen Menschen und auch manchen Organisationen<br />
den Mut rauben will, kann eine einfache Weisheit das<br />
Vertrauen in die allgemeine Sicherheit und Beherrschbarkeit<br />
des gesellschaftlichen Wohlstands wieder stärken<br />
und stützen: Vertrauen basiert auf der Identifikation<br />
und Nachvollziehbarkeit von robusten Prozessen.<br />
Dieser Gedanke war der Motor des TÜV Hessen für<br />
die Entwicklung des Qualitätssiegels „Sicher gegen Corona“.<br />
Es orientiert sich an den aktuell gültigen Ordnungsregeln<br />
und Gesetzen der Covid-19-Phase sowie<br />
an den Prüfverfahren von Systemen – und an der konkreten<br />
Situation der Unternehmen und Organisationen,<br />
die dies beauftragen.<br />
Basis des Prüfkonzepts für das Siegel sind diejenigen<br />
Vorgaben, die in der heutigen Zeit von enormer Bedeutung<br />
sind: Gesetze, Standards und wissenschaftliche Erkenntnisse.<br />
Bemerkenswert hierbei: Auch diese Grundlagen<br />
sind in der aktuellen Phase ihrerseits – ungewöhnlich<br />
genug – durchweg nicht starr, sondern permanenter<br />
Entwicklung und Lerneffekten unterworfen.<br />
Basis der Prüfungen sind<br />
• Regelungen des Bundes und der Länder gemäß<br />
Infektionsschutzgesetz (IfSG),<br />
• geltende Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts,<br />
• Sars-Cov-2-Arbeitsschutzstandard und<br />
• die in der zu prüfenden Organisation wirksamen<br />
Covid-19-Richtlinien.<br />
In diesem Sinne verkehrt Covid-19 auch hier die Welt,<br />
die man gewohnt ist. Gesetzliche Regelungen, Verordnungen<br />
und auch das, was man gerne „den Stand der<br />
Wissenschaft“ nennt, verwandeln sich in eine Art von<br />
10 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> <strong>05.2020</strong>
„moving targets“. Sonja Sieger, fachlich verantwortlich<br />
bei TÜV Hessen für das Qualitätssiegel: „Was aber Halt<br />
geben kann und soll, ist ein objektiver Nachweis dafür,<br />
dass alles getan ist, um sichere Arbeitsbedingungen für<br />
Mitarbeiter zu schaffen und Kunden vor gesundheitlichen<br />
Schäden zu schützen.“<br />
Auf dieser Basis entwickelten die Experten von TÜV<br />
Hessen aus den Bereichen Industrie-Sicherheit und Arbeitsmedizin<br />
dieses Prüfgerüst, mit dem Unternehmen<br />
die eigenen Bemühungen um das Wohl nicht nur ihrer<br />
Kundinnen und Kunden, sondern auch für alle Stakeholder<br />
in ihren Supply Chains prüfen, optimieren, bewerten<br />
und nachweisen (lassen) können.<br />
Bemerkenswert an dieser Vorgehensweise ist, dass<br />
das statistische Risikomanagement als Allzweckwaffe<br />
nahezu aller Systemansätze des 21. Jahrhunderts hier<br />
auf der Basis der für den Einzelfall beziehungsweise für<br />
einzelne Branchen nicht vorhandenen oder viel zu kleinen<br />
Datenbasis kaum Bedeutung hat. Es muss auch ohne<br />
gehen. So geht es darum, die Gefährdungslage zu Infektionsgefahren<br />
in jedem Unternehmen individuell zu<br />
prüfen, um daraus konkrete Schutzmechanismen abzuleiten<br />
und zu etablieren. Das gilt für Unternehmen jeder<br />
Branche und Größe.<br />
Eine Reihe von Organisationen haben das Qualitätssiegel<br />
„Sicher gegen Corona“ bereits erhalten. Dazu gehören<br />
Fraport, die ADAC Luftrettung und das Medikationskontrollsystem<br />
der Nationalen Anti Doping Agentur<br />
(NADA).<br />
Fraport ist die Betreibergesellschaft des Flughafens<br />
Frankfurt/Main. Der Airport ist mit über 70 Millionen<br />
Passagieren im Jahr 2019 der größte in Deutschland<br />
und der viertgrößte in Europa. Die Leitung von Fraport<br />
ist sich der gesellschaftlichen Relevanz ihrer europäischen<br />
und weltweiten Drehscheibenfunktion ebenso<br />
bewusst wie der Notwendigkeiten, die sich aus der auch<br />
in Corona-Zeiten noch hohen Anzahl von Menschen ergeben,<br />
die hier ankommen und losfliegen: Als Markenprodukt<br />
wollten die Frankfurter die Qualität ihres Umgangs<br />
mit Corona bis in den kleinsten Prozess hinein<br />
durch eine unabhängige Prüfung deutlich machen.<br />
Fraport beauftragte TÜV Hessen mit der Prüfung der<br />
Infektionsschutzmaßnahmen und -prozesse am europäischen<br />
Drehkreuz. Wie man eine solche Prüfung am<br />
besten durchführt? In diesem Fall lautete die Antwort:<br />
Indem man den üblichen Reiseverlauf aus Sicht von Passagieren<br />
komplett „vom Hin bis zum Zurück“ durchspielt.<br />
Auf einzelne Prozessschritte heruntergebrochen<br />
und unter Realbedingungen entstand dabei ein umfangreicher<br />
Prüfkatalog, mit dem die Experten von TÜV<br />
Hessen mehrere Tage lang vor Ort waren.<br />
Dabei spielte das TÜV Hessen-Prüfteam „Sicher gegen<br />
Corona“ nicht nur die Rolle des Advocatus Diaboli,<br />
der jeweils das Schlimmste anzunehmen gewohnt ist,<br />
sondern auch des zufriedenen Passagiers: Der Flughafenbetreiber<br />
Fraport konnte mit seinem stimmigen<br />
und vorbildlich umgesetzten Gesamtkonzept zum<br />
Schutz aller Beteiligten überzeugen: Die branchenspezifischen<br />
Schutz- und Hygieneanforderungen Sars-Cov-<br />
2/Covid-19 und auch die geltenden Empfehlungen des<br />
Robert-Koch-Instituts waren hier vorbildlich berücksichtigt.<br />
„Sämtliche Prozesse und Abläufe wurden an die außergewöhnliche<br />
Situation angepasst. Die Reisenden<br />
So sieht das Konzept von TÜV Hessen für das Qualitätssiegel „Sicher gegen Corona“ aus Bild: TÜV Hessen<br />
<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> <strong>05.2020</strong> 11
:: Management<br />
Im Sommer 2020 wurde das Corona-Sicherheits- und Hygienekonzept der ADAC Luftrettung von TÜV Hessen unter die Lupe genommen Bilder: ADAC Luftrettung<br />
werden mit zahlreichen optischen und akustischen Hinweisen<br />
kontinuierlich an die aktuellen Verhaltensregeln<br />
erinnert und zur Einhaltung aufgefordert“, sagt Sieger.<br />
„Mit einem eigenen medizinischen Dienst und der Errichtung<br />
von Corona-Testzentren hat Fraport zusätzliche<br />
Bausteine zur Eindämmung der Pandemie geschaffen.<br />
Wichtig für alle Flugreisenden ist natürlich, sich<br />
auch strikt an die entsprechenden Vorgaben zu halten,<br />
um sich vor einer möglichen Ansteckung zu schützen.“<br />
Neben den vielfältigen Hygienevorkehrungen lobten<br />
die Prüfer vor allem die zahlreichen optischen und akustischen<br />
Hinweise zur stetigen Erinnerung an aktuelle<br />
Verhaltensregeln. Außerdem habe der Flughafen sämtliche<br />
Prozesse optimal an die Pandemie-Situation angepasst.<br />
Mit dem eigenen medizinischen Dienst und der<br />
Einrichtung von Corona-Testzentren liefert Fraport ein<br />
stimmiges Komplettpaket im Kampf gegen das Virus.<br />
ADAC Luftrettung mit individueller,<br />
mehr als 100 Punkte umfassender Checkliste<br />
Im September 2020 wurde auch das Sicherheits- und<br />
Hygienekonzept der ADAC Luftrettung vom TÜV Hessen<br />
Das Infektionsschutzgesetz<br />
Das Infektionsschutzgesetz (IfSG) – genauer gesagt das „Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung<br />
von Infektionskrankheiten beim Menschen“ – kann auch im Falle der Corona-<br />
Pandemie als führende Leitplanke für Strukturierung und Umsetzung dienen. Es liegt im<br />
Wesen der Sicherheitsstandards insbesondere in Deutschland, dass man für Fälle auch<br />
dann vorbereitet ist, wenn sie bislang noch nicht in vollem Umfang eingetreten sind.<br />
Dank der weltweiten Vernetzung der Wissenschaften ist es beruhigend zu wissen: Tritt ein<br />
Fall ein, werden Strukturen und Regeln auch durch die Erfahrungen aus anderen Staaten<br />
auf den jeweils aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik aktualisiert.<br />
mit dem bundesweiten Qualitätssiegel „Sicher gegen<br />
Corona“ ausgezeichnet. Die Teams dieser engagierten<br />
Organisation mit den gelben Hubschraubern haben alleine<br />
zwischen Mitte März und Ende Juni dieses Jahres<br />
rund 450 Coronavirus-Einsätze absolviert. Der Nachweis<br />
von gesicherten Prozessen und Strukturen im<br />
Kampf gegen Covid-19 wurde durch den TÜV Hessen<br />
quasi quer durch Deutschland in einer repräsentativen<br />
Auswahl von elf der insgesamt 37 ADAC-Luftrettungsstationen<br />
geführt.<br />
Der Bewertungskatalog überprüfte dabei entlang<br />
der aktuell gültigen Pandemie-Anforderungen des Robert-Koch-Institutes,<br />
wie die ADAC Luftrettung die für<br />
Hygiene und Schutz nötigen Maßnahmen in der Praxis<br />
umsetzt. Geprüft wurde zum einen das Verhalten im<br />
realen Rettungseinsatz unter Vollschutz mit Overall,<br />
Handschuhen, FFP2-Maske und Schutzbrille sowie Abstandsregeln<br />
und Kommunikation. Zum anderen bewerteten<br />
die Prüfer das Hygienemanagement mit. Das<br />
umfasst zum Beispiel die Reinigung und Belüftung der<br />
Station, die Desinfektion von Dienstkleidung sowie die<br />
Reinigungs- und Waschverfahren. Verbesserungen<br />
konnten direkt in den täglichen Betrieb integriert werden.<br />
Frédéric Bruder, Geschäftsführer der ADAC Luftrettung,<br />
sieht sich in seiner Entscheidung für die Aufwände,<br />
die das Siegel durchaus mit sich brachte, mehr als<br />
bestätigt: „Die Crews und Mitarbeiter der ADAC Luftrettung<br />
haben seit Ausbruch der Pandemie Außergewöhnliches<br />
geleistet. Rund um die Uhr – auf den Stationen, in<br />
den Werften, im Simulatorzentrum, in der Zentrale und<br />
aus dem Homeoffice. Das Qualitätssiegel bestätigt unseren<br />
hohen Sicherheitsstandard bei Infektionsschutztransporten<br />
und belohnt die harte Arbeit an der Corona-Front.“<br />
TÜV-Expertin Sieger zeigte sich ebenso begeistert:<br />
„Zusammen mit branchenspezifischen Anforderungen<br />
haben wir eine Checkliste von insgesamt mehr als 100<br />
12 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> <strong>05.2020</strong>
Punkten abgearbeitet. Darüber hinaus wurden auf den<br />
Stationen mehrstündige Interviews mit einem umfangreichen<br />
Fragenkatalog geführt. Die Zusammenarbeit<br />
war über den gesamten Weg quer durch Deutschland<br />
extrem konstruktiv und produktiv – man zog ja wirklich<br />
an einem Strang.“<br />
Basis bei der Nationalen Anti-Doping-Agentur<br />
ist die Zertifizierung nach DIN EN ISO 9001<br />
Arbeitsschutz bei Covid-19<br />
Der Sars-Cov-2-Arbeitsschutzstandard – genauer gesagt das „Betriebliche Maßnahmenkonzept<br />
für zeitlich befristete zusätzliche Maßnahmen zum Infektionsschutz vor Sars-<br />
Cov-2 (Sars-CoV-2-Arbeitsschutzstandard) – wurde am 16. April 2020 definiert. Darin<br />
heißt es„Die Corona (Sars-Cov-2)-Pandemie trifft das gesellschaftliche sowie wirtschaft -<br />
liche Leben gleichermaßen, Beschäftigte und Nichtbeschäftigte. Diese Pandemielage ist<br />
eine Gefahr für die Gesundheit einer unbestimmten Zahl von Personen und zugleich für<br />
die öffentliche Sicherheit und Ordnung (…) Die Verantwortung für die Umsetzung notwendiger<br />
Infektionsschutzmaßnahmen trägt der Arbeitgeber entsprechend dem Ergebnis der<br />
Gefährdungsbeurteilung. Der Arbeitgeber hat sich von den Fachkräften für Arbeitssicherheit<br />
und Betriebsärzten beraten zu lassen sowie mit den betrieblichen Interessensvertretungen<br />
abzustimmen.“<br />
Ein weiteres Beispiel ist die Nationale Anti Doping<br />
Agentur Deutschland (Nada). Die bereits seit 2018 nach<br />
DIN EN ISO 9001 zertifizierte Geschäftsstelle der Nada<br />
betreibt aktiv ihr Qualitätsmanagementsystem. Insofern<br />
mag es nicht verwundern, dass die DIN EN ISO<br />
9001 als „Mutter aller Qualitätsnormen“ auch für die<br />
Beurteilung der Robustheit von Strukturen und Prozessen<br />
im Kampf gegen Corona eine ausgezeichnete Basis<br />
darstellte.<br />
Auf der Basis eines speziell auf die Anforderungen<br />
der Medikations- und Doping-Kontrollen bei Pferden<br />
durch die Nada zugeschnittenen Prüfpfads wurde das<br />
individuelle Schutz- und Hygienekonzept zur Infektionsverhütung<br />
auf Herz und Nieren geprüft. Dabei wurde<br />
nicht nur das eigentliche Verfahren zur Durchführung<br />
sowie die Zuständigkeit für die Kontrollen geprüft: Ein<br />
weiterer Schwerpunkt lag auf der Prüfung des Monitorings<br />
zur Einhaltung und Dokumentation der festgeschriebenen<br />
Hygienemaßnahmen. Als ein weiterer wesentlicher<br />
Bestandteil erwies sich bei der Nada die konsequente<br />
Unterweisung von Mitarbeitern im korrekten<br />
Umgang mit der hygienischen Aufbereitung von Mund-<br />
Nasen-Bedeckungen.<br />
Das Sprichwort vom Teufel, der im Detail steckt, ist<br />
auch hier eindeutig richtig. Bei einem Thema wie Covid-19<br />
muss der Prozess dort ansetzen, wo die konkreten<br />
Risiken sind. Und das ist ja der Punkt: Masken mögen<br />
lowtech sein, aber wenn man sie richtig einsetzt<br />
und den richtigen Umgang damit kennt, reduziert man<br />
damit wirksam das Ansteckungsrisiko. Anfang September<br />
wurde die NADA für diesen Bereich mit dem Qualitätssiegel<br />
„Sicher gegen Corona“ zertifiziert.<br />
■<br />
Das Qualitätssiegel<br />
Das Qualitätssiegel „Sicher gegen Corona“ bedeutet:<br />
• Sicherheit bezüglich des betrieblichen<br />
Schutz- und Hygienekonzepts<br />
• Prüfbericht mit allen relevanten Ergebnissen<br />
und Hinweisen zur weiteren Optimierung<br />
• Schulungsfilm „Hygiene und Infektionsschutz“<br />
für Mitarbeiter<br />
• Nachweis der Erfüllung der Fürsorgepflicht<br />
als Arbeitgeber (Compliance)<br />
• Stärkung des Vertrauens von Mitarbeitern<br />
und Kunden<br />
• Transparenz gegenüber Mitarbeitern, Kunden<br />
und Partnern<br />
• Positiver Imagefaktor und Auszeichnung der<br />
Maßnahmen zum Infektionsschutz<br />
So sieht der Ablauf der Prüfung aus: Nach der<br />
Kontaktaufnahme erfolgt eine Vorprüfung anhand<br />
des Schutz- und Hygienekonzepts. Parallel<br />
steht eine Frageliste als Basis für die zu prüfenden<br />
Prozesse zur Verfügung. Es folgt ein<br />
Vor-Ort-Termin, bei dem der TÜV Hessen anhand<br />
einer Checkliste und transparenten Kriterien<br />
prüft, ob die für die jeweilige Branche aktuell<br />
zutreffenden Schutz- und Hygieneanforderungen<br />
bezüglich Sars-Cov-2/Covid-19 umgesetzt<br />
werden.<br />
Das Unternehmen erhält einen Prüfbericht mit<br />
allen relevanten Ergebnissen und gegebenenfalls<br />
Hinweisen zur weiteren Verbesserung Ihres<br />
Hygienekonzepts. Sind alle Anforderungen<br />
umgesetzt, erhält die Organisation das Qualitätssiegel<br />
„Sicher gegen Corona“. Das Qualitätssiegel<br />
ist nach erfolgreichem Abschluss der<br />
Prüfung für sechs Monate gültig und muss anschließend<br />
erneuert werden.<br />
■<br />
<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> <strong>05.2020</strong> 13
:: Im Fokus: Future Trends<br />
Projekte zeigen den Nutzen von Augmented Reality<br />
Im virtuellen<br />
Realitäts-Check<br />
Für Augmented Reality gibt es in der Qualitätssicherung ein großes Potenzial. Prüfungen<br />
lassen sich direkt mit den CAD-Daten abgleichen, QS-Mitarbeiter erhalten<br />
relevante Informationen in Echtzeit auf ihre Datenbrillen. Doch es gibt auch Entwicklungsbedarf:<br />
Die Technik muss sich besser an die Produktionsumgebung anpassen.<br />
Der Autor<br />
Markus Strehlitz<br />
Redaktion<br />
<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong><br />
Im privaten Alltag begegnet Augmented Reality einem<br />
häufig als Spielerei. So jagen Menschen zum Beispiel Pokemons,<br />
die über die Kamera des Smartphones in die<br />
reale Umgebung projiziert werden. Doch Augmented<br />
Reality (AR) ist weit mehr als bloßer Zeitvertreib. Zunehmend<br />
mehr Projekte beschäftigen sich damit, die Technologie<br />
in Fertigungsprozesse einzubinden. Dabei<br />
schält sich vor allem die Qualitätssicherung als wichtiges<br />
Einsatzgebiet heraus.<br />
Grundsätzlich sei die große Stärke von AR „Informationen<br />
im Kontext zum richtigen Zeitpunkt für das richtige<br />
Produkt im richtigen Moment bereitzustellen“, sagt<br />
Marc Schütz, Vicepresident für das AR-Product Management<br />
beim Software-Anbieter PTC. Sein Unternehmen<br />
ist Spezialist für Produktlebenszyklus-Management<br />
(PLM) und hat auch ein AR-System im Angebot.<br />
Wie sich das einsetzen lässt, zeigt ein Projekt beim<br />
Autobauer Volvo. Dort werden die Funktionen von PTCs<br />
AR-Software Vuforia in der Qualitätssicherung der Motoren<br />
genutzt. Jeder einzelne Motor durchläuft bei Volvo<br />
40 Prüfungen mit 200 möglichen Qualitätssicherungsvarianten<br />
– innerhalb von nur acht Minuten.<br />
Vor Einführung der AR-Lösung wurden den Mitarbeitern<br />
die Informationen für diese komplexe Tätigkeit in<br />
gedruckter Form bereit gestellt. Das kostet jedoch viel<br />
Zeit, wenn neue Qualitätsmitarbeiter eingelernt werden<br />
oder die Prüfung auf neue Motorenkonfigurationen<br />
eingestellt werden muss.<br />
Mithilfe von AR wird das Ganze nun beschleunigt.<br />
Dafür nutzen die Qualitätssicherungsmitarbeiter die<br />
Datenbrille Hololens von Microsoft. Über diese können<br />
sie die Konfigurationen der Motoren und die dazugehörigen<br />
Prüfanweisungen nahezu in Echtzeit aufrufen.<br />
„Sie schauen auf die Seriennummer oder auf den Barcode,<br />
der auf dem Prüfobjekt ist. Dann wird eine Suchanfrage<br />
durch die ganzen Systeme gestartet und die Mitarbeiter<br />
erhalten alle relevanten Informationen“, berichtet<br />
Marc Schütz, Vicepresident für das AR-Product<br />
Management bei PTC. Die 3D-Daten und Qualitätssicherungsinformationen<br />
werden direkt über den realen<br />
Motoren eingeblendet.<br />
Feedback-Schleifen sorgen für Qualitätsverbesserung<br />
Die Datenbasis speist sich aus verschiedenen Quellen.<br />
Dazu zählen unter anderem die CAD-Modelle, die PLM-<br />
Software und Fertigungssysteme. PTC spricht vom Digital<br />
Thread – als quasi einem digitalen Faden, der die Daten<br />
aus den verschiedenen Systemen mit einander verbindet.<br />
Dieser sorgt dafür, dass die Daten, welche den<br />
Mitarbeitern auf ihren Brillen eingeblendet werden,<br />
stets auf dem aktuellen Stand sind.<br />
Der Datenfluss verläuft dabei in beide Richtungen.<br />
Die Qualitätssicherungstechniker erfassen auch spezifische<br />
Defekte und leiten diese an Entwicklung sowie Fertigung<br />
zurück. Solche Feedback-Schleifen sorgen für eine<br />
kontinuierliche Prozess- und Qualitätsverbesserung.<br />
„Augmented Reality kann seine Stärken vor allem<br />
dann ausspielen, wenn es um komplexe Aufgaben geht,<br />
wenn Konfigurationen häufig wechseln und wenn lan-<br />
14 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> <strong>05.2020</strong>
ge Checklisten vorliegen“, erklärt Schütz. Der Nutzen,<br />
den die Technologie bringt, lässt sich beziffern. So hat<br />
Volvo bei neuen Motoren-Iterationen an verschiedenen<br />
Arbeitsplätzen und Werken mehr als einen Tag für die<br />
Aktualisierung und Validierung der Konfigurations- und<br />
Qualitätssicherungs-Checklisten gebraucht. Seit der Implementierung<br />
von AR und Digital Thread sei dafür weniger<br />
als eine Stunde nötig, heißt es von PTC-Seite.<br />
Außerdem konnte die Schulung neuer QS-Mitarbeiter<br />
deutlich verkürzt werden: von fünf auf unter zwei<br />
Wochen. Insgesamt erwartet Volvo bei durchschnittlich<br />
fünf Qualitätssicherungsstationen in jedem der 20 Werke<br />
Einsparungen von mehreren Tausend Euro pro Station<br />
und Jahr.<br />
Relevante Informationen über die Datenbrille zum<br />
Mitarbeiter zu bringen, ist auch Ziel des Fraunhofer Instituts<br />
für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung<br />
(IFAM). Die Forscher arbeiten dabei an einer<br />
speziellen Lösung für Klebeprozesse.<br />
Da sich Klebungen nicht zu 100 % zerstörungsfrei<br />
prüfen lassen, muss man einen möglichst fehlerfreien<br />
Prozess schaffen. Die DIN 2304 regelt diese organisatorische<br />
Qualitätssicherung in der Klebtechnik. „Häufig<br />
werden die Regeln und Anforderungen über seitenweise<br />
ausgedruckte Handbücher vermittelt, die der Anwender<br />
beim jeweiligen Prozessschritt zu Rate ziehen<br />
muss“, sagt Tim Strohbach, Mitarbeiter am Fraunhofer<br />
IFAM. Hinzu kämen oft noch unternehmensspezifische<br />
Vorgehensweisen, die ebenso berücksichtigt werden<br />
müssten. Gemeinsam mit dem Start-up Bitnamic arbeitet<br />
das Fraunhofer IFAM daher daran, dass Experten diese<br />
Informationen direkt auf der Datenbrille oder einem<br />
anderen mobilen Endgerät beim jeweiligen Prozessschritt<br />
abrufen können.<br />
CAD-Geometrien werden über das reale Bild gelegt<br />
Ohne menschlichen Eingriff funktioniert ein System,<br />
das im Projekt Scrutinize 3D entwickelt wurde. In diesem<br />
haben das Fraunhofer Institut für Graphische Datenverarbeitung<br />
(IGD) mit Autobauer Daimler und den<br />
Unternehmen Tigris Elektronik sowie Ensenso zusammengearbeitet.<br />
Ergebnis ist ein automatisches System<br />
zur optischen Qualitätssicherung im Fahrzeugbau. Eine<br />
entscheidende Technologie ist auch hier Augmented<br />
Reality.<br />
An einer Produktionslinie werden Kameras fest verbaut.<br />
Diese nehmen die von Robotern oder Arbeitern<br />
zusammengebauten Teile auf. Das Produktionskontrollsystem<br />
prüft mithilfe von Algorithmen, ob alle Bestandteile<br />
vorhanden sind, ob die richtigen Teile verbaut wurden<br />
und ob alle für den nächsten Verarbeitungsschritt<br />
korrekt positioniert sind.<br />
Dafür gleicht das System das zusammengebaute<br />
Prüfobjekt mit den Konstruktionsdaten aus der CAD-<br />
Software ab. Die CAD-Geometrien werden dabei quasi<br />
über das reale Bild gelegt.<br />
Der Vorteil der Lösung liegt unter anderem in der<br />
deutlichen Zeitersparnis und der Reduzierung des Trainingsaufwands.<br />
Alternative Machine-Learning-Lösun-<br />
Volvo nutzt Augmented<br />
Reality in der Qualitäts -<br />
sicherung von Motoren<br />
und rechnet mit Einsparungen<br />
von mehreren<br />
Tausend Euro pro QS-<br />
Station und Jahr Bild: PTC<br />
<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> <strong>05.2020</strong> 15
:: Im Fokus: Future Trends<br />
Daneben wurde im Projekt auch eine mobile Prüfvariante<br />
entworfen. Dabei wird das Prüfteil von der Kamera<br />
eines Tablets aus unterschiedlichen Perspektiven erfasst,<br />
mit dem CAD-Modell registriert und abgeglichen.<br />
Damit ist dann eine handgeführte, visuelle Inspektion<br />
durch den Nutzer möglich – zum Beispiel außerhalb des<br />
Werkes bei einem Zulieferer. „In einem nächsten Schritt<br />
arbeiten wir daran, auch Tiefeninformationen auf diese<br />
Weise zu verarbeiten, um Deformationen am Objekt erkennen<br />
zu können“, berichtet Graf.<br />
Unterschiedliche Beleuchtung fordert die Technik<br />
Ein AR-Kontrollsystem des Fraunhofer IGD prüft in der Montage, ob alle Bestandteile vorhanden<br />
sind, ob die richtigen Teile verbaut wurden und ob alle für den nächsten Verarbeitungsschritt<br />
korrekt positioniert sind Bild: Fraunhofer IGD<br />
AR spielt seine Stärken<br />
vor allem bei komplexen<br />
Aufgaben aus, sagt Marc<br />
Schütz von PTC<br />
Bild: PTC<br />
AR-Systeme sorgen bei<br />
Variantenumstellungen<br />
für Flexibilität, so Holger<br />
Graf vom Fraunhofer<br />
IGD Bild: Fraunhofer IGD<br />
gen müssen erst eintrainiert werden und brauchen dafür<br />
eine große Menge an Referenzbildern. „Der Lernaufwand<br />
bei diesen Systemen ist sehr hoch“, sagt Holger<br />
Graf, Leiter der Abteilung Virtual & Augmented Reality<br />
beim Fraunhofer IGD. „Und wenn man jetzt an agile<br />
Produktionsprozesse denkt, dann ist es unwirtschaftlich,<br />
eine Produktionslinie mit den unterschiedlichsten<br />
Varianten, die hergestellt werden, zu prüfen.“<br />
Mit dem System auf Basis von Augmented Reality ist<br />
man dagegen deutlich flexibler. „Wenn eine Variantenumstellung<br />
innerhalb eines Tages in der Produktionslinie<br />
stattfindet, können wir schnell umrüsten“, so Graf.<br />
„Man muss nur das CAD-Modell der neuen Variante einschwemmen<br />
und dann die Prüffälle aufsetzen.“<br />
Prozess könnte auf Prüfstopp verzichten<br />
Auch der Fertigungsprozess selbst könnte dank der Lösung<br />
beschleunigt werden. Denn das zu prüfende Objekt<br />
– zum Beispiel der Unterbau beziehungsweise das<br />
Fahrgestell eines Autos – fährt unter das Kamera-Array,<br />
bleibt dort stehen, wird aufgenommen und dann geprüft.<br />
„Mithilfe von Augmented Reality lassen sich Objekte<br />
aber auch dynamisch erfassen“, erklärt Graf. „Die<br />
Linie muss also nicht unbedingt anhalten.“ Das heißt:<br />
Die Produktion könnte theoretisch in einem durchgehenden<br />
Fluss laufen – ohne einen Prüfstopp. Derzeit<br />
wird dies jedoch noch nicht umgesetzt, da die nachfolgenden<br />
Prozesse ebenfalls an einen definierten Produktionstakt<br />
angepasst sind.<br />
Auch bei Scrutinize 3D lässt sich der Nutzen der AR-<br />
Lösung quantifizieren. „Es gibt dafür Modellrechnungen“,<br />
sagt Graf. „Laut diesen liegen die Einsparungen<br />
gegenüber traditionellen optischen Prüfsystemen, die<br />
eingelernt werden müssen, pro Produktionslinie im höheren<br />
sechsstelligen Bereich.“<br />
Solche und andere Projekte belegen zwar den Nutzen,<br />
den Augmented Reality in der Qualitätssicherung haben<br />
kann. Doch für den Einsatz der Technologie auf breiter<br />
Ebene muss noch an einigen Punkten gearbeitet werden.<br />
Eine Herausforderung für Augmented Reality in Fertigungsprozessen<br />
sind unter anderem noch die Produktionsumgebungen.<br />
Dort haben die Systeme mit zum<br />
Teil schwierigen Bedingungen zu kämpfen – wie etwa<br />
unterschiedlichen Beleuchtungssituationen oder komplexen<br />
Hinterschneidungen. Herausfordernd sind auch<br />
Situationen, in denen Objekte in einer Menge von hochreflektierenden<br />
lackierten Teilen erkannt werden sollen.<br />
„Wir arbeiten bereits an entsprechenden Optimierungsverfahren“,<br />
sagt Graf. Dabei spielen auch Verfahren der<br />
künstlichen Intelligenz eine wichtige Rolle.<br />
Verbesserungsbedarf gibt es zudem bei den Datenbrillen.<br />
Diese sind noch nicht an den Einsatz in der Fertigung<br />
angepasst. Es fehlt an notwendigen Funktionen<br />
wie etwa dem Objektracking.<br />
Außerdem müssen auch bestimmte Voraussetzungen<br />
erfüllt sein, um AR in der Fertigung nutzen zu können.<br />
Die zugrunde liegenden Daten müssen strukturiert<br />
und in ausreichender Qualität vorliegen. „Unternehmen<br />
brauchen ein gutes Daten- und Konfigurationsmanagement“,<br />
so Schütz von PTC. „Wenn es keinen Zugriff auf<br />
die Daten in jeder Konfiguration gibt, dann lässt sich die<br />
Konfiguration auch nicht prüfen.“<br />
Das Potenzial für den Einsatz von AR in der Qualitätssicherung<br />
sei jedoch sehr groß, so Schütz. Daher plant<br />
PTC, Anfang des kommenden Jahres eine spezielle Lösung<br />
für die Qualitätssicherung auf den Markt zu bringen.<br />
Um das Thema AR weiter voranzutreiben, hat sich<br />
PTC außerdem mit dem deutschen Startup Ioxp verstärkt.<br />
Das Unternehmen entwickelt kognitive Augmented<br />
Reality, die mit Künstlicher Intelligenz arbeitet. Eines<br />
der Einsatzgebiete: die Qualitätssicherung.<br />
■<br />
Webhinweis<br />
Welche Möglichkeiten die Technologie<br />
von Ioxp eröffnet, zeigen Videos<br />
unter: http://hier.pro/EJE0A<br />
16 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> <strong>05.2020</strong>
Stadtbesichtigung mit digitaler Unterstützung: Informationen erhält man über die<br />
AR-Brille. Der Reiseführer kann also zu Hause bleiben Bild: Mariia Korneeva/stock.adobe.com<br />
Eine Redaktion – zwei Meinungen<br />
Erweitert oder beschränkt?<br />
In der Arbeitswelt ist Augmented Reality (AR) angekommen. Auch im Auto: Head-up-Displays,<br />
bei denen Informationen etwa vom Navi auf die Windschutzscheibe projiziert werden, sind<br />
praktisch, weil der Fahrer den Blick weiter auf die Straße richten kann. Doch ist AR auch sonst im<br />
Privatleben sinnvoll? Die Redaktion von <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> hat dazu zwei Meinungen.<br />
Cool wäre es auf alle Fälle: Die<br />
Stadtbesichtigung mit einer Datenbrille.<br />
Eine Führung in der<br />
Gruppe mit echtem Guide ist<br />
aktuell wegen Corona eher<br />
schwierig. Und einen gedruckten<br />
Reiseführer den ganzen Tag<br />
mitzuschleppen, geht auf Dauer<br />
auf den Rücken. Mal ganz davon<br />
Sabine Koll, Redaktion abgesehen, dass man ständig<br />
<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong>, blättern muss. Und wenn es<br />
trägt lieber Mütze statt regnet, ist der Citytrip mit Buch<br />
AR-Brille auf dem Kopf unterm Arm auch kein Spaß.<br />
Unter Gesundheitsaspekten<br />
wäre eine Datenbrille also prima: Man bekommt die Informationen<br />
zum Beispiel über ein Bauwerk, eine Statue<br />
oder ein Museum vermittelt, sobald man dieses in<br />
Augenschein genommen hat. Hersteller von Datenbrillen<br />
prognostizieren schon lange einen Durchbruch ihrer<br />
Technologie auf dem Consumer-Markt. Doch eingetreten<br />
ist dies noch nicht. Ich kenne jedenfalls noch keine<br />
Stadt, in der das möglich ist. Seitdem ich vor drei Jahren<br />
auf einer Messe zum ersten Mal eine Datenbrille aufgesetzt<br />
habe, ahne ich auch, warum man auf den Straßen<br />
von Stuttgart oder New York noch niemanden damit<br />
sieht: Die Teile sind einfach sackschwer. Spätestens<br />
nach einer halben Stunde hätte ich damit Kopf und Rücken.<br />
Also doch keine gesundheitsgerechte Lösung. ■<br />
Ich finde Augmented und Virtual<br />
Reality grundsätzlich faszinierend.<br />
Und das Potenzial für die<br />
Qualitätssicherung ist ohne<br />
Zweifel groß. Aber im Privatleben<br />
kann ich den Technologien<br />
bisher nicht viel abgewinnen.<br />
Als es den großen Pokemon-Go-<br />
Hype gab, habe ich nur mit Verwunderung<br />
die Menschen be-<br />
Markus Strehlitz,<br />
Redaktion <strong>Quality</strong> obachtet, die an Straßenecken<br />
<strong>Engineering</strong>, reicht die oder auf Plätzen mit ihrem<br />
reale Welt<br />
Smartphone kleine bunte Wesen<br />
gejagt haben. Ich konnte<br />
auch nie verstehen, warum sich Freunde von mir in virtuellen<br />
Welten treffen, um dort Abenteuer zu bestehen<br />
– und jeder von ihnen dabei allein zu Hause vor seinem<br />
Rechner sitzt. In Pandemie-Zeiten mag das ja noch einen<br />
Sinn ergeben. Aber sonst? Die reale Welt ist doch<br />
spannend genug. Viele lieber laufe ich bei einer Old-<br />
School-Schnitzeljagd durch einen echten Wald. Und<br />
noch viel mehr Freude bereitet es mir, meine Freunde<br />
live zu treffen. Gemeinsam mit ihnen am Tisch zu sitzen,<br />
auf dem ein klassisches Brettspiel ausgebreitet ist, erfüllt<br />
mich deutlich mehr, als meine Mitspieler nur auf<br />
einem platten Bildschirm zu sehen. Und das Essen und<br />
Trinken, das zu so einem Abend ja dazu gehört, macht in<br />
Gesellschaft sowieso am meisten Spaß.<br />
■<br />
<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> <strong>05.2020</strong> 17
:: Im Fokus: Future Trends<br />
5G in der digitalen Fabrik<br />
Sensordaten in Echtzeit<br />
für Qualitätssicherung 4.0<br />
5G ist weit mehr als die nächste Mobilfunkgeneration: In privaten Netzwerken kann 5G die<br />
Qualitätssicherung in der Fabrik auf ein Echtzeit-Level heben. Notwendig sind dafür Sensoren,<br />
die gerne auch als die Sinnesorgane von Industrie 4.0 bezeichnet werden. Verschiedene Institute<br />
forschen in Deutschland daran.<br />
Die Autorin<br />
Sabine Koll<br />
Redaktion<br />
<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong><br />
„Echtzeitfähige Kommunikation ist ein Erfolgsfaktor<br />
für Industrie 4.0. Mithilfe von 5G<br />
werden sich Flexibilität, Wandelbarkeit und<br />
Produktivität der industriellen Fertigung<br />
deutlich erhöhen“, sagte Professor Martin<br />
Ruskowski, Vorstandsvorsitzender der Technologie-Initiative<br />
Smart Factory KL, kürzlich<br />
auf dem 5G Industrie Summit, den die<br />
Deutsche Messe Technology Academy im<br />
September gemeinsam mit dem Konradin<br />
Verlag veranstaltete. Im Zusammenspiel<br />
mit Künstlicher Intelligenz ermögliche 5G<br />
die nahtlose Integration autonomer Syste-<br />
me und mobiler Plattformen ohne Kabelbindung<br />
und somit ganz neue Fertigungsmethoden.<br />
Sensoren räumt Ruskowski eine zentrale<br />
Rolle ein, um Qualitätsdaten aus der Fertigung<br />
zu generieren: „Wenn ich etwa eine<br />
Spritzgießmaschine mit angeschlossenem<br />
Roboter habe, muss ich heute bei Problemen<br />
herausfinden, ob es am Roboter oder<br />
an der Spritzgießmaschine oder aber an der<br />
Konnektivität liegt. Das ist für uns der falsche<br />
Ansatz. Industrie 4.0 geht von einer Autonomie<br />
der Fertigungsressourcen aus: Die<br />
18 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> <strong>05.2020</strong>
Zu den Vorteilen des 5G Release 16 gehören<br />
vor allem hohe Geschwindigkeiten,<br />
geringe Latenz und Verlässlichkeit<br />
Bild: sdecoret/stock.adobe.com<br />
Produktionszelle wird als eine Einheit greifbar<br />
gemacht und zu flexiblen Linien zusammengeschaltet.<br />
Smarte Maschinen bekommen<br />
dabei ein ‚Gehirn‘ mit Intelligenz verpasst.<br />
Dafür brauchen wir neue Kommunikationstechnologien<br />
wie 5G“, betont Ruskowski.<br />
Während die großen öffentlichen Netzbetreiber<br />
in Deutschland bereits 5G in der<br />
Fläche ausrollen, wird es allerdings noch<br />
dauern, bis die Technologie in Campusnetzen<br />
ihre vollen Möglichkeiten ausspielen<br />
kann. Denn die Features, welche die großen<br />
Vorteile für die Fabrikautomatisierung versprechen,<br />
stehen erst mit Release 16 zur<br />
Verfügung. Und diese Version hat die internationale<br />
Standardisierungsorganisation<br />
3GPP im Juli 2020 veröffentlicht. Nun muss<br />
die Implementierung auf Chipsets und Produkten<br />
erfolgen. Ewald Kuk, Vice President<br />
Product Management Industrial Communication<br />
and Identification bei Siemens, rechnet<br />
damit, dass private 5G-Standalone-Netze<br />
2022 oder 2023 möglich sein werden –<br />
und das zu erschwinglichen Lizenzpreisen.<br />
Er nannte auf dem 5G Industrie Summit die<br />
Summe von 5730 Euro für zehn Jahre für<br />
das 5G-Campusnetz im Siemens-Werk<br />
Karlsruhe.<br />
Zu den Features, die Release 16 mit sich<br />
bringt, gehören vor allem Geschwindigkeiten<br />
von bis zu 10 Gigabit pro Sekunde sowie<br />
Latenz und Verlässlichkeit: Bei privaten Netzen<br />
sind Latenzen, also Verzögerungen im<br />
Submilisekundenbereich sowie eine Verlässlichkeit<br />
von 99,9999 % gegeben. Diese<br />
Rate impliziert eine erwartete Ausfallzeit<br />
von nur 5 min Minuten pro Jahr. Dies entspricht<br />
der Leistung von Ethernet-Netzwerken.<br />
Auch eine massive Dichte von Sensoren<br />
wird mit Release 16 möglich sein, nämlich<br />
bis zu eine Million pro Quadratkilometer.<br />
Wie die Kombination aus Sensorik und<br />
5G in der digitalen Fabrik für eine Qualitätssicherung<br />
in Echtzeit sorgen kann, das erforscht<br />
derzeit das Fraunhofer IPT in Aachen<br />
anhand mehrerer Use Cases. Ein Beispiel ist<br />
die spanende Herstellung sogenannter Blade<br />
Integrated Disks (Blisks), die etwa in<br />
Strahltriebwerken verwendet werden. Blisks<br />
werden auf Werkzeugmaschinen in einem<br />
Prozess aus einem Stück Metall gefräst. Dabei<br />
sind Präzision und Genauigkeit gefragt,<br />
um teuren Ausschuss zu vermeiden. „Welligkeit<br />
auf dem Bauteil ist zum Beispiel ein<br />
Qualitätsmangel“, erklärte Niels König, Abteilungsleiter<br />
Produktionsmesstechnik am<br />
Fraunhofer IPT während seines Vortrags auf<br />
dem 5G Industrie Summit.<br />
So hat das Institut einen Schwingungssensor<br />
entwickelt, der aus einem Piezoaufnehmer<br />
besteht und auf das Bauteil aufgeklebt<br />
wird. Eine Sensorelektronik und ein<br />
5G-Gateway sorgen für die Übertragung der<br />
Schwingungsdaten über 5G in eine Cloud.<br />
Dort werden die Daten prozessnah weiterverarbeitet.<br />
König: „Auf dem digitalen Zwilling<br />
des Bauteils also im 3D-Modell, lassen<br />
sich die kontinuierlich aus Maschine und<br />
Werkzeug generierten Daten mit diesen Daten<br />
aus dem Schwingungssensor überlagern.<br />
Eine rote Färbung zeigt dem Metallverarbeiter<br />
dann auf einen Blick kritische<br />
Schwingungen, die sich auf der Bauteiloberfläche<br />
bemerkbar machen, sodass er Gegenmaßnahmen<br />
ergreifen kann.“ In diesem Fall<br />
spielt die sehr geringe Latenzzeit von 5G eine<br />
entscheidende Rolle. „Allerdings muss<br />
man sagen, dass es Stand heute auch noch<br />
zu wenige geeignete Sensoren für diese Art<br />
von Use Cases gibt“, wendet König ein. ■<br />
Die Software<br />
für Prozessund<br />
Qualitätsmanagement<br />
Prozesse<br />
Berichte<br />
Datenschutz<br />
LDAP<br />
Formulare<br />
Maßnahmen Social QM<br />
Mehrsprachigkeit<br />
WIKI<br />
Validierung<br />
Matrixorganisation<br />
GxP<br />
QM<br />
International<br />
Auditmanagement<br />
Schulungen<br />
Kennzahlen<br />
BPMN<br />
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<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> <strong>05.2020</strong> 19
:: Im Fokus: Future Trends<br />
Sinnvoller Einsatz von Blockchain-Technologie im Qualitätsmanagement<br />
Digital in Blöcken dokumentiert<br />
Die dezentrale Vernetzung von Unternehmensprozessen und die Transparenz der Blockchain sind<br />
eine Chance für das Qualitätsmanagement der Zukunft. Vor allem für das Qualitätsmanagement<br />
der Lieferkette bietet sich die Blockchain-Technologie an. Neben der Sicherstellung der<br />
Rückführbarkeit ist insbesondere die Effizienzsteigerung hervorzuheben.<br />
Die Blockchain-Technologie sorgt im Qualitäts -<br />
management der Lieferkette für die Sicherstellung<br />
der Rückführbarkeit und für Effizienzsteigerungen<br />
Bild: Siarheia/adobe.stock.com<br />
Der Autor<br />
Hartmut Winkler<br />
Berater<br />
Q-Future<br />
www.q-future.de<br />
Die Dokumentation ist ein notwendiges Instrument<br />
des Qualitätsmanagements und dient als Nachweis,<br />
dass bestimmte Anforderungen erfüllt sind. Seit der<br />
neuen Revision der DIN EN ISO 9001:2015 spricht man<br />
von dokumentierter Information. Dokumentierte Information<br />
wird sowohl in der Produktion von Gütern als<br />
auch bei Dienstleistungen eingesetzt, um entsprechende<br />
Nachweise bezüglich der Einhaltung von Anforderungen<br />
zu liefern. Bei diesen Nachweisen kann es sich<br />
zum Beispiel um Werkzeugnisse, Konformitätserklärungen<br />
oder Erstmusterprüfungen handeln.<br />
Im Supply Chain Management nehmen diese Konformitätsnachweise<br />
eine besondere Rolle ein. Die Lieferkette<br />
gleicht heute mehr einem komplexen Liefernetzwerk<br />
als einer linearen Wertschöpfungskette. Unternehmen<br />
sind global in diesem Wertschöpfungsnetzwerk verbunden.<br />
Da globale Lieferketten so komplex sind, dass<br />
selbst große Erstausrüster vor der Herausforderung stehen,<br />
die Lieferanten bis in die n-te Ebene zu überwachen,<br />
steigt das Risiko für die Verbreitung gefälschter<br />
oder qualitativ minderwertiger Kaufteile.<br />
In den vergangenen Jahrzehnten wurde die Durchführung<br />
von Konformitätsnachweisen zur Bescheinigung<br />
der Authentizität von Produkten innerhalb der Lieferkette<br />
durch Zertifikate vorgenommen. Dennoch<br />
bleibt eine Unsicherheit, welche erfahrungsgemäß mit<br />
der Tiefe der Lieferantenstufe steigt und somit in den<br />
frühen Instanzen der Wertschöpfung am höchsten ist.<br />
Jede Instanz der Supply Chain hat verschiedene Informationen<br />
über das Produkt und dessen Entstehungsprozess,<br />
jedoch gibt es keine zentrale Sammelstelle für<br />
all diese Informationen. Erstausrüster haben meist nur<br />
in den ersten Lieferantenstufen einen transparenten<br />
Blick auf die Supply Chain. Regelmäßige Audits erfolgen<br />
in der Regel nicht in frühen Stufen der Lieferkette.<br />
Die Digitalisierung bringt neue Möglichkeiten zur<br />
vollständigen Transparenz von Lieferketten. Die Blockchain<br />
ist eine Technologie, die aus der Virtualisierung<br />
von Maschinen und der damit ermöglichten gesteigerten<br />
Rechenleistung hervorgegangen ist. Blockchain<br />
kann überall dort eingesetzt werden, wo Echtheit und<br />
Sicherheit von Daten eine kritische Rolle spielen. Dies ist<br />
in der Regel bei jeglichen Transaktionen der Fall, wie etwa<br />
entlang einer Lieferkette.<br />
Die Blockchain ist eine Verkettung von Datenblöcken,<br />
welche verschiedene Informationen enthalten. Jeder<br />
Datenblock ist mit einem Vorgänger und einem Nachfolger<br />
verkettet. Die Verkettung entsteht durch einen<br />
Code (Hash), der die beiden Blöcke untrennbar miteinander<br />
verbindet. Dieser Code wird nach einem komplexen<br />
Algorithmus aus allen vorangegangenen Blöcken<br />
berechnet. Es ist also nicht möglich Inhalte eines<br />
Blocks zu verändern, da alle nachfolgenden Codes dann<br />
nicht mehr konsistent sind.<br />
Sicherheit durch dezentrale Datenspeicherung<br />
Sicher wird die Blockchain durch die dezentrale Speicherung<br />
in sogenannten Knoten. Das heißt, die Blockchain<br />
existiert nicht nur einmal, sondern jeder Knoten hat die<br />
gesamte Blockchain auf Servern gespeichert. In jedem<br />
Knoten sind somit alle vorgenommenen Transaktionen<br />
dokumentiert. In der Blockchain einer Lieferkette kann<br />
jede Instanz einen Knoten darstellen, der die gesamten<br />
Transaktionen der Lieferkette aufzeichnet. Diese dezentrale<br />
Speicherung der Blockchain ermöglicht ein sofortiges<br />
Aufdecken von Manipulationsversuchen.<br />
Für die Lieferkette empfiehlt sich eine private Blockchain,<br />
auf die alle Instanzen der Lieferkette Zugriff haben.<br />
Um einen neuen Block zu generieren muss eine<br />
Konsensbildung stattfinden, zum Beispiel durch die Be-<br />
20 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> <strong>05.2020</strong>
echnung eines Proof-of Work. Der Proof-of-Work ist in<br />
diesem Fall eine komplexe Rechenaufgabe, die als Ergebnis<br />
den Hashcode liefert, welcher verschiedene Bedingungen<br />
erfüllt und den neuen Block mit allen anderen<br />
Blöcken untrennbar verbindet. Diese Berechnung erfordert<br />
eine hohe Rechenleistung, was zu einem enormen<br />
Stromverbrauch bei der Konsensbildung führt. Neben<br />
dem Proof-of-Work existieren weitere Möglichkeiten<br />
der Konsensbildung, die weniger Ressourcen verbrauchen.<br />
Da es sich bei Blockchain-Transaktionen um Peer-to-<br />
Peer Verbindungen handelt, fällt eine zentrale Vermittlungsinstanz<br />
weg. Die Transaktionen werden zwischen<br />
zwei Clients (entsprechend Lieferant – Kunde) im Netzwerk<br />
durchgeführt und manipulationssicher dokumentiert.<br />
Eine nachträgliche Modifikation ist technisch nahezu<br />
unmöglich. Die Blockchain kann also überall dort<br />
eingesetzt werden, wo Transaktionen sicher dokumentiert<br />
werden müssen und mehrere Parteien beteiligt<br />
sind.<br />
Die Technologie ist aufgrund der lückenlosen und<br />
manipulationsresistenten Eigenschaften für die Vertrauensbildung<br />
in der Lieferkette geeignet. Jede Instanz<br />
entlang der Supply Chain dokumentiert zum Beispiel<br />
Charge, Produktionsdatum und Prüfergebnisse zum<br />
Nachweis der Konformität in einem Block. Die einzelnen<br />
Blöcke werden untrennbar miteinander verknüpft und<br />
alle Daten seit Beginn der Supply Chain bleiben dokumentiert<br />
und abrufbar. Eine nachträgliche Änderung<br />
von Dokumentation ist somit ausgeschlossen. Der Kunde<br />
kann auf alle Nachweise zugreifen und dabei auch<br />
weiterführende Informationen wie Prozessdaten in den<br />
Fertigungsstufen abrufen. Dies kann insbesondere zur<br />
nachträglichen Analyse bei Qualitätsproblemen nützlich<br />
sein.<br />
Die Blockchain kann außerdem zur Sicherstellung<br />
der Rückverfolgbarkeit von Teilen oder Chargen beitragen,<br />
welche in Regelwerken verschiedener Branchen gefordert<br />
werden. Sie dient weiterhin dem Echtheitsnachweis<br />
von Bauteilen. Die Elektronikindustrie hat mit gefälschten<br />
elektronischen Komponenten und Baugruppen<br />
zu kämpfen. In Dritt-Welt-Ländern wird Elektroschrott<br />
gesammelt und elektronische Komponenten<br />
werden demontiert. Bauteile werden per Hand ausgelötet<br />
und wieder in den Markt gebracht. Man spricht bei<br />
diesen Teilen von Counterfeit Parts. Oftmals geht dies<br />
mit einer Fälschung der Dokumentation einher.<br />
Prüfdokumente sind in der Blockchain speicherbar<br />
Ein weiterer positiver Effekt ist das Wegfallen von umfangreichen<br />
Dokumentationen, die mit den Kaufteilen<br />
geliefert werden. Bei komplexen Modulen fallen pro Lieferung<br />
häufig Prüfdokumente im Umfang von mehreren<br />
hundert Seiten an. Durch das Wegfallen von Scanvorgängen<br />
und automatische Kontrolle der Prüfergebnisse<br />
wird der Aufwand für Warenvereinnahmungen reduziert,<br />
ohne dass höhere Qualitätsrisiken entstehen.<br />
Die Vorstellung, dass die Lieferkette für alle Instanzen<br />
vollkommen transparent wird, mag beunruhigen,<br />
insbesondere, wenn es um Preise von Kaufteilen geht.<br />
Doch die Blockchain ermöglicht Datensicherheit und<br />
Datenschutz durch das Management von Zugriffsrechten.<br />
Durch die Vergabe von Rechten durch sogenannte<br />
Ledger ist es möglich, sensible oder nicht relevante Informationen<br />
für bestimmte Instanzen der Lieferkette zu<br />
verbergen. Ein Lkw-Fahrer kann beispielsweis nur auf<br />
solche Informationen der Blockchain zugreifen, die für<br />
ihn relevant sind – wie etwa welchen maximalen Beschleunigungen<br />
die Fracht bisher ausgesetzt oder ob<br />
die Kühlkette durchgängig eingehalten wurde. Informationen,<br />
die alle Instanzen des Liefernetzwerks benötigen,<br />
können durch die Blockchain geteilt werden.<br />
Durch das Internet der Dinge (IoT) ist eine automatische<br />
Aufzeichnung von Prozessdaten während der Produktentstehung<br />
in die Blockchain realisierbar. Die Dokumentation<br />
einer Kühlkette ist eine denkbare Anwendung<br />
für die Blockchain in der Logistik. Durch smarte<br />
Sensoren, die mit dem IoT kommunizieren, können<br />
Messdaten aufgezeichnet und in der Blockchain sicher<br />
gespeichert werden. Die Blockchain stellt somit die<br />
Transparenz der Kühlung in der Lieferkette sicher. ■<br />
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<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> <strong>05.2020</strong> 21<br />
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Automatisierung, künstliche<br />
Intelligenz – diese Trends sind<br />
in der Bildverarbeitung allgegenwärtig,<br />
wie dieses Special<br />
zeigt. Die Corona-Krise geht<br />
aber auch an der Branche nicht<br />
vorbei, wie die Verschiebung<br />
der Vision verdeutlicht. In<br />
Statements erklären die Aussteller,<br />
was sie davon halten.<br />
SPECIAL<br />
Bildverarbeitung<br />
Im Werk München von BMW beschäftigen sich KI-Projekte im<br />
Bereich der Fahrzeugmontage mit automatisierten Bilderkennungsverfahren:<br />
Mit dieser Methode prüfen Montagemitarbeiter,<br />
ob das Warndreieck, die Scheibenwischerkappen oder die<br />
Einstiegsleisten richtig montiert sind Bild: BMW<br />
Inhalt<br />
24 CEO von Stemmer Imaging<br />
Arne Dehn spricht über<br />
Trends und die Auswirkungen<br />
der Digitalisierung<br />
27 Statements zur Vision<br />
Die Branche hofft auf die<br />
Messe im kommenden Jahr<br />
30 Blitz-Controller<br />
Integrierte Steuerungseinheit<br />
reduziert Aufwand<br />
32 Schnelle Prozesse<br />
Technik-Kombi ermöglicht<br />
Inspektion bei vollem Speed<br />
34 100-Prozent-Prüfung<br />
Rotationssymmetrische<br />
Objekte im 360-Grad-Blick<br />
36 Machine Learning<br />
Visuelle Prüfungen mit<br />
Intelligenz<br />
38 Autonome Lösung<br />
Plug & Play für die<br />
Bildverarbeitung mit KI<br />
<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> <strong>05.2020</strong> 23
:: Special Bildverarbeitung<br />
Chef von Stemmer Imaging im Interview<br />
„Wir erleben eine Transformation“<br />
Trends in der Bildverarbeitung, Auswirkungen der Digitalisierung und die<br />
Bedeutung von Cloud-Plafformen für die Branche – darüber spricht Arne<br />
Dehn , CEO von Stemmer Imaging, im Interview . Außerdem erklärt er,<br />
warum es beim Deep Learning noch viele Traumschlösser gibt.<br />
Arne Dehn ist sich sicher, dass Themen<br />
wie Edge Computing und Datensicherheit<br />
auch in der Bild verarbeitung zunehmend<br />
an Bedeutung gewinnen<br />
Bild: Stemmer Imaging<br />
24 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> <strong>05.2020</strong>
„Wir wollen Themen wie Embedded, 3D<br />
und Hyperspektral weiter vorantreiben.“<br />
Arne Dehn<br />
CEO, Stemmer Imaging<br />
:: Herr Dehn, welche Trends sehen Sie zur Zeit in der<br />
Bildverarbeitung?<br />
Dehn: Zunächst sehen wir Qualitätssicherung und Bildverarbeitung<br />
nicht mehr nur im klassischen Produktionsbereich,<br />
sondern auch in Bereichen wie etwa Landwirtschaft<br />
oder Smart Infrastructure. Dort spielt Qualitätssicherung<br />
auch eine ganz wesentliche Rolle und die<br />
Bildverarbeitung wird dafür zunehmend eingesetzt.<br />
Dann gibt es natürlich noch den wichtigen Trend der Digitalisierung.<br />
Dabei geht es zum Beispiel um die Vernetzung<br />
von Maschinen. Und Bildverarbeitung spielt dort<br />
auch eine wichtige Rolle. Es gibt jedoch eine Studie von<br />
McKinsey, die zeigt, dass wir dabei über ein paar Leuchtturmprojekte<br />
noch nicht hinaus gekommen sind. Es gibt<br />
noch viel zu tun. Daneben sehen wir noch Trends auf<br />
Applikationsebene.<br />
:: Und die wären?<br />
Dehn: Ich spreche dabei von Anwendungen wie Vision<br />
Guided Robotics, Sorting, Nachverfolgbarkeit im Produktionsfluss<br />
und Materialanalyse. Auf der Produktebene<br />
gibt es dann außerdem die Trends Embedded Vision,<br />
3D-Analyse und Infrarot. Außerdem gewinnt das Edge<br />
Computing in der Bildverarbeitung zunehmend an Bedeutung.<br />
:: Die Einsatzfelder der Bildverarbeitung erweitern sich.<br />
Welche Rolle spielt eigentlich noch das Anwendungsfeld<br />
Qualitätssicherung für Stemmer Imaging?<br />
Dehn: Bildverarbeitung kommt natürlich aus der Qualitätssicherung.<br />
Das ist ein ganz wichtiger Bereich, den<br />
wir weiterhin im Fokus haben. Wir machen heute 65<br />
Prozent unseres Geschäfts im Produktionsumfeld. Aber<br />
Qualitätssicherung darf nicht nur auf den Production<br />
Floor reduziert werden, sondern muss breiter gesehen<br />
werden. Qualitätssicherung ist für alle Prozesse relevant.<br />
:: Sie haben die Digitalisierung als einen wichtigen<br />
Trend genannt. Welche Auswirkungen hat diese auf die<br />
Bildverarbeitung?<br />
Dehn: Zunächst mal müssen wir uns als Unternehmen<br />
digitalisieren. Das hängt stark damit zusammen, wie<br />
wir mit Kunden und Marktpartnern zusammenarbeiten.<br />
Wir arbeiten sehr stark in Projekten – besonders im<br />
Bereich der Entwicklungszusammenarbeit. Und dabei<br />
werden sehr viele Daten ausgetauscht. Das heißt, das<br />
Thema Datensicherheit ist entscheidend. Es wird in Zukunft<br />
ein ganz wichtiger Differentiator im Wettbewerb<br />
sein, auf dem höchsten IT-Sicherheitsstandard zu arbeiten.<br />
Dann geht es natürlich auch um die Digitalisierung<br />
bei unseren Kunden. Ich denke dabei an die Vernetzung<br />
von Anlagen und die Nutzung von Cloud-Applikationen.<br />
Die Bildverarbeitungs-intelligenz erfordert einen erhöhten<br />
Austausch von Daten. Und wir brauchen Konzepte,<br />
wie dieser Austausch mit der Cloud stattfinden wird.<br />
Dabei geht es auch um Fragen wie „Wo sitzt die Software?<br />
Wo findet die Bildverarbeitungslogik statt?“. Das<br />
wird in einem ganz anderen Kontext diskutiert, wenn<br />
man an die Plattformökonomie denkt.<br />
:: Was heißt das?<br />
Dehn: Wir glauben, dass auch Bildverarbeitungssoftware<br />
sich nicht anders verhalten wird als Software-Systeme<br />
in anderen Bereichen. Wir müssen unser gesamtes<br />
Leistungsangebot daran anpassen. Beim Prototypen angefangen,<br />
über das Test & Development bis zur Implementierung<br />
und Wartung von Bildverarbeitungslösungen<br />
– das alles wird sehr viel stärker über Plattformen<br />
bereit gestellt werden. Software-Angebote müssen<br />
auch über solche Plattformen darstellbar sein. In diese<br />
Richtung wollen wir uns entwickeln. Wie das genau aussieht,<br />
das werden wir in den kommenden Jahren sehen.<br />
:: Generell wächst auch die Bedeutung der Software in<br />
der Bildverarbeitung.<br />
Dehn: Ja. Wir verkaufen zwar viel Hardware. Aber die<br />
Software-Kompetenz ist sehr wichtig. Wir erleben eine<br />
Transformation, wie Intelligenz in Maschinen und Applikationen<br />
aufgebaut ist. Dabei geht es auch darum, wie<br />
man hochkomplexe Algorithmen auf eine möglichst bezahlbare<br />
Hardware bekommt. Stichwort Deep Learning.<br />
Es ist zwar sehr viel möglich, aber es muss auch bezahlbar<br />
bleiben und in Realtime abbildbar sein. Da wird<br />
noch sehr viel Innovation stattfinden. Wir sehen uns als<br />
Teil davon – immer mit dem Fokus Bildverarbeitung natürlich.<br />
Der Autor<br />
Markus Strehlitz<br />
Redaktion<br />
<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong><br />
<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> <strong>05.2020</strong> 25
:: Special Bildverarbeitung<br />
Zur Person<br />
Arne Dehn ist seit März 2019 Vorstandsvorsitzender<br />
von Stemmer Imaging. Er trägt dabei die Verantwortung<br />
für die Bereiche Konzernstrategie und -entwicklung,<br />
Marketing, Produktmanagement, die Steuerung<br />
der Regionen, sowie Einkauf und Logistik, Finanzen,<br />
Investor Relations und M&A. Er ist seit über 20 Jahren<br />
in Führungspositionen bei Technologieunternehmen<br />
der Kommunikations- und Sensortechnologie tätig.<br />
:: Welche Bedeutung hat Künstliche Intelligenz generell<br />
in der Bildverarbeitung?<br />
Dehn: Wir unterteilen das Thema Künstliche Intelligenz<br />
in Machine Learning und Deep Learning. Gerade beim<br />
Deep Learning erleben wir aber erst die Anfänge. Es<br />
werden im Moment sehr hohe Erwartungen an die<br />
Technologie gestellt. Viele Kunden machen sich zu<br />
schnell auf diesen Weg. Doch Deep Learning stellt hohe<br />
Anforderungen an die Trainingsszenarien und Trainingsbilder.<br />
Daher muss man sich fragen: „Habe ich die? Und<br />
woher bekomme ich die?“ Außerdem muss man sich<br />
überlegen, was so eine Deep-Learning-Umgebung kosten<br />
darf. Denn die wird zwar günstiger, ist aber im Vergleich<br />
zu Machine Learning immer noch teuer. Der Aufwand,<br />
sich mit Deep Learning zu beschäftigen, zwingt<br />
Unternehmen zumindest mal auf eine Lernkurve, die<br />
länger ist, als viele denken. Wir versuchen, diese zu verkürzen,<br />
indem wir in unserer European Imaging Akademie<br />
Trainings anbieten und mit Kunden Projekte machen.<br />
Aber es gibt diesbezüglich noch viele Traumschlösser.<br />
Alle unsere Kunden erwarten in der Qualitätssicherung<br />
eine hohe Stabilität – bei einer hohen Geschwindigkeit<br />
und Genauigkeit. Und Deep Learning bietet<br />
diese Stabilität oft nicht.<br />
:: Sie sagen, dass viele Kunden sich beim Thema Deep<br />
Learning zu schnell auf den Weg machen. Was meinen<br />
Sie damit?<br />
Dehn: Einige Kunden kommen auf uns zu und sind der<br />
Meinung, dass Deep Learning heute schon Standardund<br />
alles andere nicht zukunftsfähig ist. Es gibt Anwendungen,<br />
wo das der Fall ist – aber eben auch viele, wo<br />
dies nicht zutrifft. Wir raten Kunden, erst mal Erfahrungen<br />
mit dem Thema zu sammeln. Deep Learning erfordert<br />
Know-how-Aufbau – und auch die Bereitschaft,<br />
sich damit zunächst spielend auseinander zu setzen.<br />
:: Was sind die Schwerpunkte in der Strategie von Stemmer<br />
Imaging?<br />
Dehn: Wir bezeichnen uns als Technologiehaus. Das Zusammenbringen<br />
von Innovationen und Kerntechnologien<br />
– zwischen Hardware, Software und Mehrwertdiensten<br />
– dort sehen wir uns. Ein wichtiger Strategieblock<br />
ist, dass wir gemeinsam mit unseren Kunden Dinge<br />
entwickeln wollen, mit Methoden des agilen Co-Developments.<br />
Wir müssen Teillösungen – wir nennen es<br />
Subsysteme – anbieten, die Teilfunktionen der Bildverarbeitung<br />
erledigen. Es ist ein großer Trend, dass bestimmte<br />
Funktionen schon als Module zur Verfügung<br />
gestellt werden, die früher erst beim Kunden entstanden<br />
sind. Zum Beispiel Vision Guided Robotics, Bin Picking<br />
oder Farberkennung und Feuchtigkeitserkennung.<br />
Das sind alles Applikationen, die wir in Teillösungen zur<br />
Verfügung stellen können. Daneben wollen wir unsere<br />
Software-Kompetenz weiter stärken, wie wir das zum<br />
Beispiel durch unsere Beteiligung an Perception Park im<br />
Bereich Hyperspektral getan haben.<br />
:: Auf welchen Technologiefeldern sehen Sie denn noch<br />
Lücken im Stemmer-Portfolio?<br />
Dehn: Wir wollen Themen wie Embedded, 3D und Hyperspektral<br />
weiter vorantreiben. Es gibt im Bereich Embedded<br />
grundsätzlich im Markt noch viele Lücken zu<br />
schließen. Ich meine damit das Verständnis, was Embedded<br />
ist und welche Module dabei eine Rolle spielen.<br />
Darauf müssen wir Antworten finden, auch als Stemmer<br />
Imaging. Daneben gibt es Trends, die am Horizont<br />
erscheinen, wie zum Beispiel das Thema Terahertz. Darüber<br />
sprechen viele und sehen es als Kerntechnologie<br />
der Zukunft. Das ist ein Thema, das uns reizt und das wir<br />
beobachten. Wir haben es aber noch nicht im Portfolio.<br />
:: Die Corona-Pandemie treibt jetzt schon seit einigen<br />
Monaten die Menschen und die Wirtschaft um. Welche<br />
Auswirkungen hat sie auf die Strategie von Stemmer<br />
Imaging?<br />
Dehn: Wir glauben, dass durch Corona die Automatisierung<br />
in Europa zunehmen wird. Mit der Bildverarbeitung<br />
sind wir somit in der richtigen Branche. Außerdem<br />
werden wir eine größere Akzeptanz von technischen Innovationen<br />
erleben. Webkonferenzen, Corona-App, die<br />
Testmöglichkeiten – das alles hat der ganzen Gesellschaft<br />
noch mal klar gemacht, dass wir alle von Technologie<br />
und Innovation abhängig sind. Davon werden wir<br />
sicherlich profitieren. Allerdings steigt damit auch der<br />
Erwartungsdruck an noch kürzere Entwicklungszyklen.<br />
Innovationen aus dem Business-Development-Stadium<br />
müssen noch schneller in stabile Lösungen umgesetzt<br />
werden. Dabei geht es um agile Zusammenarbeit und<br />
Entwicklung. In diesem Zusammenhang möchte ich<br />
noch mal das Thema Cloud und Plattformökonomie ansprechen.<br />
Dezentrale Intelligenz bekommt eine große<br />
Bedeutung. Diesem Trend kann sich unsere Branche<br />
nicht mehr entziehen.<br />
:: Vielen Dank für das Gespräch.<br />
26 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> <strong>05.2020</strong>
Die Vision wird künftig<br />
immer in ungeraden<br />
Messejahren und parallel<br />
zur Motek, der internationalen<br />
Fachmesse<br />
für Produktions- und<br />
Montageautomatisierung,<br />
stattfinden<br />
Bild: Messe Stuttgart<br />
Statements zur Coronavirus-bedingten Verschiebung der Messe<br />
Die Branche hofft auf<br />
die Vision im kommenden Jahr<br />
Keine Vision in diesem Jahr – die Coronavirus-Pandemie hat zur Verschiebung der Weltleitmesse<br />
für Bildverarbeitung geführt, die vom 10. bis 12. November in Stuttgart hätte stattfinden sollen.<br />
Nun ist sie für die Zeit vom 5. bis 7. Oktober 2021 terminiert. Wir haben uns in der Branche umgehört,<br />
was die Verschiebung für die Hersteller bedeutet.<br />
Florian Niethammer<br />
Projektleiter Vision, Messe Stuttgart<br />
Arne Dehn<br />
CEO, Stemmer Imaging<br />
Bild: Messe Stuttgart<br />
Bild: Stemmer Imaging<br />
„Die Vision ist fester Bestandteil im Messekalender der Branche und ein<br />
Termin auf den wir uns alle immer sehr freuen. Die Entscheidung ist uns<br />
dadurch nicht leichter gefallen. In Telefonaten und Workshops haben wir<br />
unseren Ausstellern und unserem ideellen Träger VDMA Machine Vision gut<br />
zugehört und uns zusätzlich in einer Umfrage unter Ausstellern und Besuchern<br />
die Einschätzungen der Branche hinsichtlich einer Durchführung in<br />
diesem Jahr eingeholt. Letztlich waren die hohe Internationalität der Weltleitmesse<br />
und die anhaltenden Reisebeschränkungen sowie die Planungs -<br />
sicherheit für unsere Aussteller ausschlaggebend für die Verschiebung“<br />
„Die Vision hat für die Bildverarbeitung eine exponierte Stellung. Es war jedoch die<br />
richtige Entscheidung, die Messe auf das kommende Jahr zu verschieben. Auch<br />
wenn man vielleicht unterschiedlicher Meinung sein kann, ob man noch ein digitales<br />
Angebot hätte machen sollen. Wir als Messeteilnehmer sind nun aufgefordert,<br />
mit den Messeveranstaltern Konzepte zu entwickeln, die im Jahr 2021 und darüber<br />
hinaus tragfähig sind. Da gibt es unterschiedliche Vorstellungen und die müssen<br />
zusammengebracht werden. Ich habe volles Vertrauen, dass die Messegesellschaft<br />
diesen Ball aufnimmt. Digitalisierung wird sicher eine wichtige Rolle spielen.<br />
Präsenzveranstaltungen werden aber grundsätzlich weiterhin notwendig sein“<br />
<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> <strong>05.2020</strong> 27
:: Special Bildverarbeitung<br />
Dr. Dirk Samiec<br />
Geschäftsfeldleiter Photonik, Polytec<br />
Jan Hartmann<br />
Geschäftsführer, IDS Imaging Development Systems<br />
„Die Verschiebung der Vision bedeutet für uns zunächst einmal,<br />
dass wir uns nach (Online-)Alternativen umschauen. Die Entscheidung<br />
für den Termin 2021 parallel zur Motek hat uns dennoch<br />
erleichtert, da die zeitliche Lücke so reduziert wird. Die Vision<br />
ist für uns mit Abstand die wichtigste Bildverarbeitungsmesse<br />
und nicht so einfach zu ersetzen. Das persönliche Gespräch mit<br />
Besuchern und Kollegen ist extrem wichtig, um aktuelle Trends<br />
und Anforderungen zu erkennen und das Gespür für den Markt<br />
zu erhalten. Dafür sind Online-Alternativen derzeit nur bedingt<br />
geeignet, auch wenn sie in Zukunft vermutlich eine zunehmend<br />
wichtige Rolle spielen werden“<br />
Bild: Polytec<br />
Bild: IDS<br />
„Die Vision Messe in Stuttgart war natürlich<br />
ein Fixpunkt in unseren Entwicklungsund<br />
Kommunikationsplanungen für dieses<br />
Jahr. Wir waren sehr fleißig bei IDS. Mit der<br />
Verschiebung der Messe entfällt uns natürlich<br />
eine wichtige Plattform, um unsere<br />
vielzähligen Produktneuheiten rund um<br />
die Themen 3D-Vision und Bildverarbeitung<br />
mit KI live vorzuführen und unsere<br />
Interessenten und Kunden zu begeistern.<br />
Die Neuansetzung war aber naheliegend,<br />
sodass wir frühzeitig alternative Kommunikationswege<br />
und -plattformen aufgebaut<br />
haben. Nichtsdestotrotz freuen wir<br />
uns schon sehr auf die Vision 2021“<br />
Dietmar Ley<br />
CEO, Basler<br />
Lorenz Peiffer<br />
Senior Director, Mitutoyo Deutschland<br />
Bild: Mitutoyo<br />
„Leider war die Verschiebung der Vision<br />
wünschenswert, um unsere Mitarbeiter<br />
und unsere Kunden zu schützen. Derzeit<br />
gehen wir nicht davon aus, das in absehbarer<br />
Zeit bedeutende Branchenmessen stattfinden.<br />
Wir hätten auf der Vision in Stuttgart<br />
natürlich gerne unser Variofokusobjektiv<br />
Taglens dem Publikum näher gebracht.<br />
Durch ultraschnelle akustische<br />
Fokussierung auf vordefinierte Ebenen mit<br />
stark erweitertem Schärfentiefenbereich<br />
eignet sie sich ideal für Inspektionszwecke<br />
und kann in vielfältigen Anlagen zum<br />
Einsatz kommen“<br />
„Wir bedauern, dass die Vision dieses Jahr nicht stattfindet, da sie<br />
ein wertvolles Event für die Bildverarbeitungsbranche weltweit<br />
ist und auch bei uns ein wichtiger Baustein in der Marketingplanung.<br />
Gleichwohl war es angesichts der aktuellen Situation die<br />
richtige Entscheidung, sie auf 2021 zu verschieben. Messen sind<br />
immer eine tolle Gelegenheit, sich dem Markt zu präsentieren.<br />
Da wir unsere Produktentwicklungen und Launches aber in der<br />
Regel nicht an Messen oder anderen externen Gegebenheiten<br />
ausrichten, beeinflusst die Verschiebung unsere Aktivitäten nur<br />
in geringem Maße. Der für uns wesentlichere Teil, der dieses Jahr<br />
fehlen wird, sind der persönliche Kontakt und das direkte Feedback<br />
von Kunden und Partnern“<br />
Bild: Basler<br />
28 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> <strong>05.2020</strong>
Dr. Boris Lange<br />
Manager Imaging für Europa, Edmund Optics<br />
Dr. Andreas Franz<br />
Geschäftsführer, Framos<br />
Thierry Lelaure<br />
Vice President Sales, Cognex Europe<br />
Bild: Edmund Optics<br />
„Die Vision zählt für uns zu den wichtigsten<br />
Veranstaltungen im Bereich Bildverarbeitung.<br />
Der Ausfall der Messe ist<br />
durchaus bedauerlich, aber in Anbetracht<br />
der aktuellen Situation und im Sinne der<br />
Sicherheit für Aussteller, Besucher und<br />
auch unserer Mitarbeiter die richtige Entscheidung,<br />
in diesem Jahr darauf zu verzichten.<br />
Wir freuen uns, dass mit Oktober<br />
2021 bereits ein Zeitfenster im nächsten<br />
Jahr gefunden werden konnte und keine<br />
vierjährige Pause entsteht, sodass Marktentwicklungen<br />
und auch die Innovationszyklen<br />
der Unternehmen nahtlos fortgesetzt<br />
werden können“<br />
„Ohne Frage ist die Vision seit Anbeginn Framos‘ wichtigste Messe,<br />
auf der die neuesten und innovativsten Produkte vorgestellt<br />
und am Markt eingeführt werden. Die Verschiebung ist aus unserer<br />
Sicht notwendig, da auch wir befürchten, dass wir unsere<br />
Zielkunden dieses Jahr auf diesem Wege nicht erreichen können.<br />
Ebenso müssen wir unser Messepersonal schützen und können<br />
wohl auch keine unserer international tätigen Applikationsingenieure<br />
als Ansprechpartner oder hochkarätige Vertreter der<br />
Hersteller wie etwa von Sony aus Japan für Kunden anbieten.<br />
Natürlich hoffen wir, dass sich mit einem passenden Impfstoff<br />
bis Herbst 2021 die Lage weitgehend normalisieren wird“<br />
Bild: Framos<br />
Bild: Cognex<br />
Andreas Vrabl<br />
Head of Center Vision, Automation & Control, AIT<br />
„Wir bedauern natürlich, dass die Messe in diesem Jahr nicht<br />
stattfinden kann. Die Vision ist für uns ein wichtiger Branchentreff<br />
zum Austausch mit Integratoren, Zuliefern und Endkunden<br />
und eine ideale Plattform, neue Produkte im Markt zu lancieren.<br />
Andererseits begrüßen wir, dass die Vision 2021 zeitgleich mit<br />
der Motek und im Wechsel mit der Automatica stattfindet. Die<br />
Messen haben zwar eigene Profile, aber die Besuchergruppen<br />
überschneiden sich. Daher bauen wir Messen als Marketinginstrument<br />
nicht über Quadratmeter aus, sondern über die digitale<br />
Reichweite und hoffentlich spannende Exponate, die virtuell<br />
wie auch real abbilden, was unsere Bildverarbeitungsprodukte<br />
leisten können“<br />
Bild: AIT<br />
„Die Vision bietet uns die Möglichkeit,<br />
unsere neuesten Technologien und<br />
Methoden aus den Bereichen High-<br />
Speed Sensing, Computational Imaging<br />
und Deep Learning einem internationalen<br />
Fachpublikum kompakt und anschaulich<br />
zu präsentieren. Sie ist eine<br />
Plattform für Forschung und Industrie,<br />
um sich auszutauschen und zu vernetzen.<br />
Wir hoffen daher, dass die nächste<br />
Vision 2021 stattfinden kann und<br />
freuen uns, unsere Kunden und Partner<br />
dort zu treffen“<br />
<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> <strong>05.2020</strong> 29
:: Special Bildverarbeitung<br />
In der aktuellen EXO-Industriekamerafamilie<br />
von SVS-Vistek<br />
sind Blitz-Controller bereits<br />
integriert Bild: SVS-Vistek<br />
Integrierte Blitz-Controller<br />
Schlanke Machine Vision<br />
Um die benötigte Lichtmenge für qualitativ hochwertige Bilder zu erzeugen, arbeiten<br />
Bildverarbeitungssysteme in der Regel mit externen Blitz-Controllern. In die Kamera integrierte<br />
Steuerungseinheiten bietet jedoch Vorteile: Sie reduzieren Aufwand und Kosten für den<br />
Anwender. SVS-Vistek hat ein entsprechendes System entwickelt.<br />
Der Autor<br />
Stefan Waizmann<br />
Technisches Marketing<br />
SVS-Vistek<br />
www.vistek.com<br />
Wichtige Voraussetzung für detailgetreue, hochauflösende<br />
Bilder ist neben der Qualität von Kamera und Optik<br />
eine optimale Beleuchtung. Moderne Bildverarbeitungssysteme<br />
nutzen heutzutage meist Licht aus LED-<br />
Quellen. Welche geometrische Form der Beleuchtung,<br />
welche Lichtfarbe und welche Lichtstärke die optimalen<br />
Bedingungen für die Aufnahme der bestmöglichen Bilder<br />
ermöglichen, hängt von der jeweiligen Aufgabenstellung<br />
ab. Wenn sich die zu prüfenden Objekte zum<br />
Beispiel auf einem Transportband oder einer sonstigen<br />
Fördereinrichtung unter einem Bildverarbeitungssystem<br />
hindurch bewegen, benötigt man sehr viel Licht,<br />
um kurze Aufnahmezeiten der Kamera und damit unverzerrte<br />
Bilder der Prüfobjekte zu realisieren. Viel Licht<br />
bedeutet jedoch zwangsläufig auch viel Abwärme, und<br />
die ist für jede LED auf Dauer tödlich.<br />
Der Ausweg aus dieser Problematik besteht darin,<br />
Beleuchtungen nicht dauerhaft zu betreiben, sondern<br />
nur dann einzuschalten, wenn die Kamera gerade belichtet.<br />
Der wesentliche Vorteil dieser Vorgehensweise<br />
besteht darin, dass Wärme nur während der tatsächlichen<br />
Leuchtdauer produziert wird. Die LED kann in den<br />
Zwischenphasen abkühlen und wird somit geschont.<br />
Zudem lassen sich geblitzte LED-Beleuchtungen mit<br />
Strömen betreiben, die um bis zu 100 % über ihrer Dauerstrom-Spezifikation<br />
liegen. Durch dieses so genannte<br />
Überblitzen lässt sich eine entsprechend höhere Lichtausbeute<br />
während der Leuchtphase erzielen.<br />
Controller sorgt für stabile Stromstärke<br />
Zur Ansteuerung von LED-Beleuchtungen wird in vielen<br />
Bildverarbeitungssystemen ein externer Blitz-Controller<br />
verwendet. Seine Aufgabe ist es, die Ein- und Ausschaltvorgänge<br />
exakt zu kontrollieren und dabei unter anderem<br />
sicherzustellen, dass die Stromstärke über die gesamte<br />
Dauer des Blitzes hinweg stabil ist und die eingestellte<br />
Leuchtdauer möglichst präzise eingehalten wird.<br />
Der Einsatz solcher Beleuchtungssteuerungen ist<br />
heutzutage Standard. Dass diese Geräte jedoch separat<br />
zur Kamera betrieben werden, bringt einige Nachteile<br />
mit sich. Abgesehen von den zusätzlichen Anschaffungskosten<br />
müssen Kamera und Blitz-Controller verkabelt<br />
werden und erfordern einen nicht zu vernachlässi-<br />
30 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> <strong>05.2020</strong>
genden Mehraufwand bei der Software-Einbindung in<br />
die Applikation über zwei unterschiedliche Interfaces.<br />
Das aufwendigere Gesamtsystem muss zudem über die<br />
Lebenszeit der Applikation gewartet werden.<br />
Ein alternativer, kostengünstigerer Weg besteht darin,<br />
die Blitzsteuerung in die Kamera zu integrieren. SVS-<br />
Vistek hat aus diesen Gründen bereits vor über zehn<br />
Jahren die Entwicklung von Kameras mit integrierter<br />
Blitzsteuerung angestoßen. Bis zu vier getrennt steuerbare<br />
Kanäle stehen in den aktuellen Kameramodellen<br />
mit der so genannten 4IO-Funktion des Unternehmens<br />
zur Verfügung. Jeder dieser kurzschlussfesten Power-<br />
Ausgänge liefert im Blitzbetrieb kurzzeitig bis zu 3 A<br />
Strom, was für 95 % aller Anwendungen ausreicht.<br />
Die Steuerung der I/Os erfolgt über die GenICam-<br />
Schnittstelle der Kamera. Auf diese Weise entfallen die<br />
Integration und Synchronisation eines weiteren Software-Interfaces,<br />
was dem Anwender Zeit spart und den<br />
Weg zur Applikation vereinfacht. Durch den Wegfall der<br />
Verkabelung zwischen Kamera und Blitz-Controller und<br />
vor allem des gesamten (und in der Regel teuren) externen<br />
Blitz-Controllers reduzieren sich darüber hinaus die<br />
Anschaffungskosten der Bildverarbeitungs-Hardware.<br />
Anwendungen werden auf diese Weise sowohl physisch<br />
als auch in der Software schlanker, was neben den Hardware-Einsparungen<br />
auch die Entwicklungskosten der<br />
Software verringert. Die Präzision hingegen nimmt zu:<br />
Die Blitzsteuerung ist auf 15 ns genau einstellbar.<br />
PWM und Sequenzer relativ frei auf bis zu vier Leitungen<br />
unabhängige Ausgangssignale programmieren, die<br />
als direkter Eingang zum Beispiel für Servomotoren<br />
oder die SPS dienen können.<br />
Die 4IO-Funktionalität stellt SVS-Vistek Anwendern<br />
in all seinen Kamerafamilien durchgängig zur Verfügung.<br />
Die besonders für den Factory Floor geeigneten<br />
EXO- und die neuen FXO-Kameras sind in zahlreichen<br />
Varianten mit unterschiedlichen CMOS- und CCD-Sensoren<br />
von Sony, ON Semiconductor und CMOSIS verfügbar<br />
und decken Auflösungen von 2,3 bis 31 Megapixel<br />
ab. Trotz des integrierten Blitz-Controllers ermöglichen<br />
die meisten dieser Kameras überdurchschnittliche Betriebstemperaturen<br />
von (modellabhängig) bis zu 70 °C.<br />
Möglich wird dies durch eine sehr enge thermische Anbindung<br />
der Low-Power-optimierten Elektronik und des<br />
Sensors an das gefräste Unibody-Gehäuse.<br />
Natürlich ist es auch weiterhin möglich, die Power-<br />
Out-Ausgänge einer Kamera mit einem externen Controller<br />
zur Ansteuerung von LED-Beleuchtungen zu verbinden.<br />
Die integrierte Lösung ist technisch jedoch unstrittig<br />
einfacher und ökonomischer, so dass der Einsatz<br />
von externen Blitz-Controllern in absehbarer Zeit wohl<br />
zur Ausnahme werden wird.<br />
■<br />
Wärmeentwicklung wird verhindert<br />
Wärmeentwicklungen in der Kamera führen zu einem<br />
verstärkten Rauschen und somit zu einer schlechteren<br />
Bildqualität. Um diesen Effekt zu umgehen, verwendet<br />
SVS-Vistek bei seinen Kameras mit integriertem Blitz-<br />
Controller leistungsfähige Metall-Oxid-Halbleiter-Feldeffekttransistor<br />
(Mosfet) für den Power-Out, die nur<br />
schalten können. Der Strom und damit die Helligkeit der<br />
LED-Beleuchtung lässt sich mit der integrierten Pulse<br />
Width Modulation (PWM) regulieren. Dabei ist die Taktfrequenz<br />
in weiten Bereichen einstellbar, um flexibel<br />
auf die jeweiligen Anforderungen reagieren zu können.<br />
Die Ausgangsspannung entspricht immer der Versorgungsspannung<br />
der Kamera.<br />
Das 4IO-Interface der Kameras von SVS-Vistek kann<br />
neben der Ansteuerung von LED-Beleuchtungen noch<br />
weitere Aufgaben übernehmen. So beinhaltet es unter<br />
anderem mehrere entprellbare physikalische Eingänge,<br />
logische Funktionen zur Verarbeitung von Eingangssignalen<br />
und einen äußerst flexiblen Sequenzer, über den<br />
die exakte Ansteuerung mehrerer Beleuchtungseinheiten<br />
vorgenommen werden kann. Alle Ein- und Ausgänge<br />
arbeiten mit Pegeln bis zu 24 V und sind dadurch sehr<br />
gut für die direkte Kommunikation mit einer SPS geeignet.<br />
Wenig bekannt, aber von einigen Industriekunden<br />
genutzt ist auch die Möglichkeit, das sehr flexibel programmierbare<br />
PWM-Modul für Steuerungsaufgaben<br />
mittels PWM-Signal zu verwenden. So lassen sich mit<br />
Qualitätsstatistiken online<br />
mit der OriginPro-Serverversion<br />
Schnell signifikante Ausreißer erkennen sowie Muster und<br />
Trends in Produkt- und Prozesseigenschaften aufdecken<br />
Statistische Analysewerkzeuge in OriginPro:<br />
Hypothesentests, ANOVA, Regression, Nichtparametrische Tests,<br />
Lebensdaueranalyse, Multivariate Analysen, ...<br />
www.additive-origin.de/statistik<br />
<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> <strong>05.2020</strong> 31
:: Special Bildverarbeitung<br />
Detail einer 50-Euro-Banknote – aufgenommen bei 10 m/s. Links: mit State-of-the-Art<br />
Setup und Auflösung von 200 μm/px. Rechts: mit Xposure Farbkamera mit einer Auf -<br />
lösung von 50 μm/px. Feinste Druckdetails sind scharf abgebildet Bild: AIT<br />
Prüfung bei schnellen Produktionsprozessen<br />
Inspektion bei vollem Speed<br />
Qualitätsprüfungen bei hoher Geschwindigkeit stellen eine Herausforderung für die<br />
Bildverarbeitungssysteme dar. Das AIT setzt dafür auf das Verfahren Computational Imaging,<br />
das mit anderen Technologien kombiniert wird. Das ermöglicht zum Beispiel hochaufgelöste<br />
Banknoten inspektion bei 10 m/s oder die Batteriefolienprüfungen mit bis zu 500 mm/s.<br />
Die Autorin<br />
Petra Thanner<br />
Senior Research Engineer<br />
AIT Austrian Institute of<br />
Technology<br />
www.ait.ac.at/hvs<br />
Immer höhere Qualitätsanforderungen bei<br />
kontinuierlich steigenden Produktionsgeschwindigkeiten<br />
wecken den Bedarf für immer<br />
schnellere, genauere aber auch flexiblere<br />
Bildverarbeitungssysteme und -komponenten.<br />
Um diesem Bedarf gerecht zu werden,<br />
kombiniert das AIT Austrian Institute of<br />
Technology Aufnahmekonzepte für die Prüfung<br />
bei höchsten Transportgeschwindigkeiten<br />
mit neuen Verfahren des Computational<br />
Imaging. Dieses ist ein schnell wachsendes<br />
Forschungsgebiet, das moderne<br />
Bilderfassungstechnologien mit intelligenten<br />
Algorithmen kombiniert. Ziel ist es dabei<br />
– aus Bildsequenzen aufgenommen mit<br />
unterschiedlichen Betrachtungs- und Beleuchtungswinkeln<br />
– Bildinformationen zu<br />
extrahieren, die mit konventioneller Bildverarbeitung<br />
nicht abgeleitet werden können.<br />
Die Kombination der Technologien ermöglicht<br />
die Inspektion schwierigster Oberflächeneigenschaften<br />
bei höchsten Prüfgeschwindigkeiten.<br />
Beispiel Banknoten:<br />
Kleinste Details gestochen scharf<br />
Ausgangsbasis dafür ist eine am AIT entwickelte<br />
Kamera. Sie erreicht Zeilenraten bis<br />
zu 600 kHz in monochrome und 200 kHz in<br />
RGB. Im Vergleich zu anderen Zeilenkameras<br />
ist sie um den Faktor 2 bis 3 schneller. Für<br />
die industrielle Inspektion bedeutet das,<br />
dass bei gleicher Produktionsgeschwindigkeit<br />
höhere optische Auflösungen erzielbar<br />
sind. Damit können selbst kleinste Merkmale<br />
automatisiert überprüft und Fertigungsprozesse<br />
optimiert werden.<br />
32 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> <strong>05.2020</strong>
Ein Beispiel für den Einsatz der Technologie<br />
ist die Produktion von Sicherheitsdokumenten<br />
wie zum Beispiel Banknoten. Diese<br />
unterliegen höchsten Qualitätsanforderungen.<br />
Sie werden bei einer Geschwindigkeit<br />
von 10 m/s produziert. Dabei müssen auch<br />
die kleinsten Defekte zuverlässig erkannt<br />
und aussortiert werden.<br />
Aktuell eingesetzte Kameratechnologien<br />
erreichen bei diesen Prüfgeschwindigkeiten<br />
eine optische Auflösung von 100 μm pro Pixel.<br />
Kleine Druckelemente – wie zum Beispiel<br />
feinste Linien oder Mikrotext – lassen<br />
sich mit dieser Auflösung nicht ausreichend<br />
scharf abbilden. Die 600 kHz Zeilenfrequenz<br />
der Xposure:camera hingegen ermöglicht<br />
es, die Banknoten mit 50 μm pro Pixel bei 10<br />
m/s zu inspizieren. Damit können selbst<br />
kleinste Details wie Mikrotexte gestochen<br />
scharf abgebildet und automatisiert überprüft<br />
werden.<br />
Geschwindigkeit als Enabler<br />
für neue Sensorkonzepte<br />
Die hohe Zeilenfrequenz ermöglicht nicht<br />
nur höhere optische Auflösungen, sondern<br />
kann auch genutzt werden, um im Zeitmultiplex-Verfahren<br />
aus unterschiedlichen<br />
Richtungen zu beleuchten. Die schnelle LED-<br />
Blitztechnologie Xposure:flash mit Blitzfrequenzen<br />
bis zu 600 kHz ist dafür die perfekte<br />
Ergänzung. Gemeinsam mit der Xposure:camera<br />
ergibt das ein kompaktes und robustes<br />
High-speed Photometric Stereo System<br />
(xposure:photometry) mit Abtastraten<br />
bis zu 200 kHz bei simultaner Berechnung<br />
von Albedo-Bild und Gradientenbild.<br />
Photometric Stereo (PS) ist eine Methode<br />
des Computational Imaging, die auf Basis<br />
mehrerer Aufnahmen eines Objektes mit<br />
unterschiedlichen Beleuchtungsrichtungen<br />
die lokalen Oberflächenkrümmungen berechnet.<br />
Photometric Stereo ist zum Beispiel<br />
für die Inspektion von Batteriefolien eine<br />
geeignete Prüfmethode, um Beschichtungsfehler<br />
zu detektieren.<br />
Materialkombination als Herausforderung<br />
für die Prüftechnik<br />
Die Sicherheit von Batterien hängt von der<br />
Qualität des Produktionsprozesses ab. Fehler<br />
bei der Herstellung der Elektroden können<br />
zu Leistungseinbußen oder sogar zu<br />
Kurzschlüssen führen, die schwerwiegende<br />
Folgen nach sich ziehen können.<br />
Batteriefolien bestehen aus metallisch<br />
glänzendem Trägermaterial aus Aluminium<br />
oder Kupfer mit dunkelgrauer bis schwarzer<br />
Beschichtung aus NMC oder Graphit. Sie<br />
werden in einem kontinuierlichen Beschichtungsprozess<br />
bei Geschwindigkeiten bis zu<br />
500 mm/s gefertigt. Der Einsatz von PS umgeht<br />
hier die traditionellen Schwierigkeiten,<br />
die bei der optischen Inspektion dieser Materialkombination<br />
typischerweise entstehen.<br />
■<br />
KUNDENSPEZIFISCHE<br />
LÖSUNGEN FÜR:<br />
TELEZENTRISCHE<br />
OBJEKTIVE<br />
TELEZENTRISCHE<br />
BELEUCHTUNGEN<br />
CCD OBJEKTIVE<br />
ASPHÄREN<br />
F-THETA OBJEKTIVE<br />
STRAHLAUFWEITER<br />
LINSENSYSTEME<br />
TRAPPED ION<br />
Links: Prüfanordnung zur Batteriefolieninspektion. Rechts: 2D-Aufnahme der Batteriefolie (oben), Oberflächennormalen<br />
(Mitte) mit sichtbaren Falten und Blasen, Gradientenbild (unten) mit sichtbaren Falten und Dellen<br />
Bild: AIT<br />
Sill Optics GmbH & Co. KG<br />
Johann-Höllfritsch-Str. 13<br />
90530 Wendelstein<br />
T. +49 9129 9023-0 info@silloptics.de<br />
WWW.SILLOPTICS.DE<br />
<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> <strong>05.2020</strong> <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong>_60x270_sill optics_05.indd 1 02.09.2020 13:59:37 33
:: Special Bildverarbeitung<br />
Die Kameras nehmen je ein<br />
90°- Segment des zu prüfenden<br />
Produktes auf. Die Bilder werden<br />
anschließend softwareseitig zur<br />
einer Aufnahme zusammengesetzt<br />
Bild: ISW<br />
Einfache Abbildung rotationssymmetrischer Objekte<br />
Alles im 360-Grad-Blick<br />
Bisherige Systeme zur Kontrolle von rotationssymmetrischen Objekten erkennen häufig nur<br />
Serienfehler. Eine neue Lösung von IWS ermöglicht eine 100-%-Prüfung, die auch einmalig<br />
auftretende Produktfehler entdeckt. Mit dabei: vier Industriekameras der CX-Serie von Baumer,<br />
deren gleichzeitig aufgenommene Bilder ein Produkt komplett abbilden.<br />
Die Autorin<br />
Nicole Marofsky<br />
Marketing<br />
Communication<br />
Baumer<br />
www.baumer.com<br />
Rotationssymmetrische Objekte – hinter dieser etwas<br />
sperrigen Bezeichnung verbergen sich viele Produkte<br />
des täglichen Lebens. Dazu zählen etwa Sprühdosen,<br />
Ampullen oder Konserven – also Objekte, die komplett<br />
abbildbar sind, wenn man sie um die eigene Achse<br />
dreht. Man findet sie in Zylinderform häufig im Pharmabereich<br />
und in der Verpackungsindustrie für Lebensmittel<br />
und Getränke.<br />
Derzeitige Ansätze zur Kontrolle rotationssymmetrischer<br />
Produkte konzentrieren sich darauf, dass diese auf<br />
einer definierten Strecke mit konstanter Geschwindigkeit<br />
und exakter Belichtungszeit vor einer Kamera einmal<br />
komplett um die eigene Achse gedreht werden. Die<br />
Aufnahme wird dann abgewickelt und per Bildverarbeitung<br />
geprüft.<br />
„Oft sind die Nahtbereiche zwischen den einzelnen<br />
Bildern jedoch unsauber, so dass teilweise nur Serienfehler,<br />
also Fehler über mehrere Produkte, in einem<br />
Strom erkannt werden können“, sagt Stefan Tukac, Prokurist<br />
bei Industrielle Sensorsysteme Wichmann (ISW).<br />
Das muss besser gehen, dachten sich die Ingenieure bei<br />
ISW: eine 100 % Kontrolle, die auch einmalig auftretende<br />
Produktfehler sicher detektiert und gleichzeitig im<br />
Produktionstakt bleibt. Ein halbes Jahr später war die<br />
neue Prüfanlage unter dem Namen „4ninety“ fertig. Der<br />
Name ist dabei Programm: Das System deckt mit vier<br />
Kameras von Baumer jeweils 90° des Umfangs eines<br />
runden Körpers ab. „Genau also die 360°, die auch eine<br />
Abwicklung beinhaltet“, erläutert Tukac. Die vier Einzelbilder<br />
werden softwareseitig ohne Überlappung zu einem<br />
Gesamtbild zusammengesetzt und ausgewertet.<br />
System lässt sich schnell anpassen<br />
Der Ansatz von ISW ist mit geringem Aufwand in bestehende<br />
Produktionsprozesse integrierbar. Die Prüfzelle<br />
kann über jedem beliebigen Förderband platziert werden.<br />
Mithilfe verschiedener Achsen sind Kameras und<br />
Beleuchtung an unterschiedliche Transportbänder und<br />
Produkte innerhalb kürzester Zeit angepasst.<br />
Einmal platziert, korrekt ausgerichtet und softwareseitig<br />
eingerichtet, übernimmt die Anlage vielfältige<br />
34 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> <strong>05.2020</strong>
Prüfaufgaben. Kontrolliert werden können die Formen<br />
von Produkten – zum Beispiel auf Unversehrtheit, Maßeinhaltung<br />
oder Deckelplatzierung. Aber auch die Anwesenheit<br />
und Lage von Merkmalen wie die korrekte<br />
Platzierung von Etiketten bis hin zur Prüfung von aufgebrachten<br />
1D- und 2D-Codes oder von Texten (OCR/OCV)<br />
sind möglich.<br />
„Unsere Standard-Bibliothek besteht aus mehreren<br />
tausend Schriftarten. So können wir Klarschriften von<br />
Kunden unseren Standardschriften wie „Document“,<br />
„Universal“ oder „Pharma“ für eine sichere Lesbarkeit<br />
zuordnen“, erläutert Tukac das Vorgehen bei OCR. Die<br />
Lage und Position von Merkmalen werden in Weltkoordinaten<br />
gemessen, so dass durch die einfache Definition<br />
fester Schwellwerte fehlerhafte Produkte anhand<br />
der gemessenen Abweichungen in Millimeter oder Grad<br />
aussortiert werden können. Bei der Etikettenerkennung<br />
setzt ISW auf einen Graustufen- und Kontur-Algorithmus,<br />
der aufgenommene Etiketten mit einem Master<br />
vergleicht. Bei Unterschieden wird das Produkt ausgeworfen.<br />
Herzstück Bildverarbeitung<br />
Das Herzstück der Prüfanlage liegt in der softwareseitigen,<br />
eigens entwickelten Bildverarbeitung. Grundlage<br />
ist dabei die Aufnahme von Bildern mit sehr guter Bildqualität.<br />
„Wir setzen dafür auf Kameras der CX-Serie von<br />
Baumer, mit denen wir sehr gute Erfahrung bezüglich<br />
hoher Zuverlässigkeit und guter Kompatibilität zu unseren<br />
Software-Routinen haben“, sagt Tukac. Zum Einsatz<br />
kommen vier 5-Megapixel-CX.I-Kameras mit Sony Pregius<br />
IMX264 Sensor. Polarisationsfilter unterdrücken die<br />
Reflektionen auf den Produkten durch die Beleuchtung.<br />
Mit dem vom Baumer patentierten modularen Tube-<br />
System werden Kamera und Objektiv zusätzlich durch<br />
eine variable Anzahl an Zwischenringen zum Beispiel<br />
gegen Staub geschützt. Gleichzeitig wird damit die<br />
Schutzart IP 65 / IP 67 erreicht. Kombiniert mit der hartanodisierten<br />
Oberfläche sind die Kameras so gegenüber<br />
den in Lebensmittelumgebungen oft notwendigen Reinigungen<br />
perfekt gerüstet.<br />
„Neben standardkonformer GigE-Vision-Schnittstelle<br />
sind die Kameras zudem lichtstark, liefern rauscharme<br />
Bilder und überzeugten uns mit schneller, zuverlässiger<br />
Bildübertragung“, so Tukac. Mit ihrer hohen Bildqualität<br />
unterstützen die Kameras ideal bei der Detektion<br />
kleiner Abweichungen und der korrekten Nahtbildung<br />
zwischen den Einzelbilden. Know-how steckt dabei<br />
auch in der Rechenleistung, die immer ein rares Gut<br />
ist, wie Tukac weiß: „Das Zurückrechnen der vier einzelnen<br />
Bilder mit je fünf Megapixel Auflösung in eine Ebene<br />
und die Berechnung der Nahtstellen ist sehr prozessorlastig“.<br />
ISW löste dies mit einem leistungsstarken<br />
Rechner, Multithreading, einer sehr guten Grafikkarte<br />
zur Auslagerung rechenintensiver Operationen und einer<br />
cleveren Programmierung. Sollen Produkte mit<br />
mehreren Etiketten geprüft werden, die starke Hell- und<br />
Dunkelkontraset aufweisen, kann das System auch mit<br />
vier LXG-Modellen mit einer Auflösung von vier Megapixel<br />
und HDR-Funktion betrieben werden.<br />
„Seit 2019 bieten wir unser System am Markt an. Unsere<br />
bisherigen Kunden aus dem Pharmabereich und<br />
der Verpackungsindustrie für Lebensmittel sind durchweg<br />
zufrieden“, freut sich Tukac. Das Potenzial ist aufgrund<br />
der breiten Anwendbarkeit jedoch noch viel größer.<br />
Denn: Nicht nur zylindrische Objekte – auch andere<br />
geometrische Formen, z.B. sechseckige Verpackungen<br />
sind mit 4ninety überprüfbar. „Eine Anpassung in der<br />
Software reicht hier aus, damit wir mögliche Abbildungsfehler<br />
aufgrund der Objektgeometrie ausgleichen<br />
können“, so Tukac.<br />
■<br />
<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> hakt nach<br />
Stefan Tukac,<br />
Prokurist bei IWS,<br />
über den Nutzen<br />
der neuen Bildver -<br />
arbeitungslösung<br />
:: Was würden Sie als den größten Nutzen<br />
beschreiben, den die neue Lösung den Anwendern<br />
bringt?<br />
Tukac: Die Lösung ist eine einfach zu integrierende,<br />
kostengünstige Alternative zu<br />
herkömmlichen Anwendungen auf Basis einer<br />
Zeilenkamera in Kombination mit komplexem<br />
Maschinenbau für das Produktund<br />
Bauteil-Handling.<br />
:: Gibt es bestimmte technische Voraussetzungen,<br />
die bei Unternehmen gegeben sein<br />
müssen, um Ihre Lösung einsetzen zu können?<br />
Tukac: Die 4ninety kann je nach Ausführungsvariante<br />
autark mit eigener Vereinzelung<br />
und NIO-Ausschleusung oder vernetzt<br />
im Anlagenverbund betrieben werden. Im<br />
vernetzten Modus können alle Schnittstellenstandards<br />
wie etwa TCPIP oder Profinet<br />
bedient werden. Gerade in Hinblick auf<br />
Support, Schulung, Anlaufbegleitung oder<br />
Anlegen und Rüsten von neuen Produkten<br />
beziehungsweise Bauteilen macht es Sinn,<br />
eine Fernwartungsmöglichkeit über die IT<br />
zu realisieren<br />
:: Gibt es neue Anwendungen, die mit der<br />
Lösung möglich werden, die mit bisheriger<br />
Technik nicht umzusetzen sind?<br />
Tukac: Der Vorteil ist die Bildaufnahme in<br />
Bewegung bei maximaler Geschwindigkeit.<br />
Bisher mussten Produktionsschritte aufwendig<br />
angepasst werden, um zum Beispiel<br />
das Produkt oder Bauteil gezielt vor einer<br />
Zeilenkamera rotieren zu lassen, damit<br />
eine 360°-Abwicklung aufgenommen werden<br />
kann.<br />
■<br />
<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> <strong>05.2020</strong> 35
:: Special Bildverarbeitung<br />
Mit Spezialkameras und<br />
Künstlicher Intelligenz<br />
lassen sich Prüfvorgänge<br />
automatisieren Bild: Deevio<br />
Machine Learning automatisiert visuelle Kontrollen<br />
Visuelle Prüfungen mit Intelligenz<br />
Das Zusammenspiel von moderner Kameratechnik, Beleuchtungstechnik und<br />
Bildverarbeitungslösungen, die auf Machine Learning basieren, übertrifft manuelle<br />
Prüfverfahren in puncto Genauigkeit und Zuverlässigkeit. Dabei ist das volle Potenzial der<br />
Machine-Vision-Technologie noch längst nicht ausgereizt.<br />
Der Autor<br />
Damian Heimel<br />
COO und Co-Founder<br />
Deevio<br />
www.deevio.ai<br />
In der digitalen Fabrik spielen Machine-Learning-Verfahren<br />
eine bedeutende Rolle. Dies gilt auch und gerade<br />
für Systeme zur Kontrolle der Produktqualität. Zum Einsatz<br />
kommen hier automatisierte Machine-Vision-Systeme<br />
– ein komplexes Zusammenspiel aus Kameras<br />
und Lichtanlagen, aus Hard- und Software, sowie aus einem<br />
ausgeklügelten, auf den spezifischen Anwendungsfall<br />
ausgerichteten Bildauswertungsregelwerk.<br />
Der Vorteil des automatisierten Machine-Vision-Verfahrens<br />
gegenüber einem „manuellen“ Prüfverfahren<br />
durch menschliche Fachkräfte liegt auf der Hand: Konstanter<br />
und gleichmäßiger werden die Kontrollrichtlinien<br />
– die zudem jederzeit nachverfolgt werden können –<br />
durchgesetzt. Die durchschnittliche Fehlerquote des<br />
Produktionsausstoßes kann signifikant gesenkt werden.<br />
Zudem beeinflusst nicht die „Tagesform“ des geschulten<br />
Prüfpersonals die finale Fehlerquote.<br />
Lange Zeit hielt sich der Einsatz Machine-Learningbasierter<br />
Bildverarbeitungssysteme dennoch in überschaubaren<br />
Grenzen. Der benötigte Rechenbedarf war<br />
einfach zu groß. Statt über ein Machine-Learning-Verfahren<br />
wurden die Regeln der Machine-Vision-Systeme<br />
deshalb umständlich von einem Systemintegrator definiert<br />
und manuell – Bild für Bild – eingegeben, mit der<br />
Folge eines stark beschränkten Anwendungsspektrums.<br />
Bei regelbasierten Bildverarbeitungssystemen muss<br />
der verantwortliche Systemintegrator feste Regeln definieren.<br />
Dem System werden bei der späteren Auswertung<br />
der zu vergleichenden Bilddaten praktisch keine<br />
Spielräume gewährt. Für bestimmte Aufgabenbereiche<br />
genügt dieses Verfahren vollauf. Etwa dann, wenn es<br />
um die Prüfung klar definierter Eigenschaften geht, die<br />
nicht in Varianz auftreten können. Soll beispielsweise<br />
die korrekte Länge, Höhe oder Breite eines Produkts kontrolliert<br />
werden – und gilt es nur, „richtig“ oder „falsch“<br />
festzustellen – lassen sich mit diesem System sehr gute<br />
Ergebnisse erzielen. Auch heute noch ist es deshalb vielerorts<br />
erfolgreich im Einsatz, aber eben nicht in besonders<br />
komplexen Qualitätskontrollen.<br />
Denn bei Anwendungsgebieten mit größerer Varianz<br />
stoßen regelbasierte Machine Vision-Systeme rasch an<br />
ihre Grenzen. Müssen im Rahmen eines regelbasierten<br />
Verfahrens doch alle erdenklichen Varianten eines Fehlers<br />
– für alle erdenklichen Fehlerarten – eingegeben<br />
werden. Qualitätskontrollen, bei denen ein Produkt auf<br />
einen variantenreichen Fehler wie zum Beispiel eine<br />
36 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> <strong>05.2020</strong>
Delle oder einen Riss kontrolliert werden soll, scheiden<br />
damit oft aus. Außerdem müssen alle möglichen Umweltbedingungen<br />
bei der Bildaufnahme – beispielsweise<br />
Änderungen der Lichteinstrahlung – berücksichtigt<br />
werden, da sonst die Pseudofehlerrate signifikant ansteigen<br />
könnte. Erhebliche Teile der zu kontrollierenden<br />
Produktion, die eigentlich in Ordnung sind, würden<br />
dann fälschlich als fehlerhaft identifiziert und aussortiert.<br />
Aus diesem Grund konnten sich kostenintensivere,<br />
ungenauere und weniger konstante manuelle Qualitätsprüfungen<br />
in den vergangenen Jahren vielerorts<br />
noch halten. Doch dies ändert sich nun. Denn technische<br />
Fortschritte im Hardwarebereich ermöglichen<br />
mittlerweile den Einsatz von rechenintensiven Deep-<br />
Learning-Verfahren bei der Erstellung der Kontrollregeln.<br />
Nun können automatisierte Machine-Vision-Systeme<br />
zeigen, was wirklich in ihnen steckt.<br />
Bildverarbeitungssysteme trainieren<br />
Beim Deep Learning, einem Verfahren auf Basis künstlicher<br />
neuronaler Netze, wird ein Modell anhand von Beispielen<br />
auf die verschiedenen Defekte trainiert. Mit jedem<br />
Training gewinnt es an Effizienz. Richtig trainiert<br />
kann es einen Genauigkeitsgrad von über 99 % erreichen<br />
– was es insbesondere für Qualitätskontrollen in<br />
sehr fehlersensitiven Branchen wie Automotive oder<br />
Pharma empfiehlt. Gerade im Automotive-Kontext können<br />
moderne, KI-basierte und lernfähige Systeme ihre<br />
Stärken voll ausspielen. Das Spektrum an Materialien,<br />
die sehr eng getaktete und teilweise über den gesamten<br />
Globus verteilte Supply Chain und nicht zuletzt die<br />
mögliche Ausstattungs- und Farbenvielfalt beschert<br />
den eingesetzten Qualitätskontroll-Systemen ein fast<br />
unerschöpfliches Potential an möglichen Fehlern. Selbst<br />
ein Blechprägestück kann bereits eine so breite Vielfalt<br />
von Dellen, Kratzern oder anderen Formabweichungen<br />
aufweisen, dass regelbasierte Lösungen schnell aufgeben<br />
und Ausschussquoten produzieren, die früher oder<br />
später die Produktion ausbremsen und die Kosten explodieren<br />
lassen.<br />
Drei Trainingsoptionen für maschinelles Lernen<br />
Über drei Trainingsvarianten können Machine-Learning-<br />
Modelle beim Deep Learning prinzipiell ausgebildet<br />
werden: Supervised Learning, Unsupervised Learning<br />
und Reinforcement Learning. Beim Supervised Learning<br />
wird das Modell in Begleitung einer Produkt-Fachkraft<br />
trainiert. Sie kontrolliert die korrekte Eingabe der Daten<br />
sowie die Anwendung des Erlernten durch das Modell.<br />
Ist diese korrekt, gibt sie eine positive Rückmeldung.<br />
Diese Methode ist am weitesten verbreitet und funktioniert<br />
bereits prozesssicher. Beim unüberwachten Lernen<br />
erzeugt das Modell dagegen selbstständig Klassifikatoren,<br />
nach denen es die Eingabemuster beurteilt –<br />
ohne Zielvorgaben und ohne „Belohnung“ durch die<br />
Umwelt. Beim Reinforcement Learning schließlich,<br />
sucht das Modell über Trial-and-Error-Verfahren nach<br />
Lösungen, die seine „Belohnung“ maximieren. Diese<br />
beiden Technologien haben enormes Potential, benötigen<br />
allerdings noch weitere Forschung für den dauerhaften<br />
Einsatz in Produktionslinien.<br />
Beim Anlernen von Machine-Vision-Deep-Learning-<br />
Modellen im Produktionskontext kommt meist ein Supervised<br />
Learning-Verfahren zum Einsatz. Zunächst<br />
wird in das Modell ein Set von fehlerfreien und fehlerhaften<br />
Bildern des zu überprüfenden Produkts eingespeist,<br />
anhand derer es dann von Data Scientists trainiert<br />
wird. Hat es hier eine gewisse Effizienz erreicht<br />
und sich die Grundlagen erarbeitet, werden dann in einem<br />
zweiten Schritt Produktbilder aus der laufenden<br />
Produktion eingespeist. Das Training wird nun zusätzlich<br />
von einer Produkt-Fachkraft begleitet, deren Feedback<br />
zu den Einschätzungen des Modells in den Trainingsprozess<br />
integriert wird. Unablässig wird das Modell<br />
so über mehrere Wochen trainiert. Am Ende, wenn<br />
ein Genauigkeitsgrad von über 99 % erreicht ist, werden<br />
das Modell und die Machine Vision-Apparatur dann in<br />
die Produktionslinie integriert. Der Vorteil daran: Defekt-Merkmale<br />
kann das Deep Learning-Modell dann<br />
generalisieren – also auch an bislang unbekannten,<br />
neuen Produkten erkennen und richtig zuordnen.<br />
Der Ansatz von Deevio bezieht bei der eigenentwickelten,<br />
KI-basierten Lösung bereits vorhandene Hardware<br />
umfassend mit ein – und nutzt zudem auch noch<br />
bestehende Bilder-Datenbanken. Dies verbessert einerseits<br />
den Return on Investment, sorgt aber auch dafür,<br />
dass die Zeitspanne bis zum Regelbetrieb erheblich reduziert<br />
werden kann. Benötigen manuelle Prüfer für die<br />
Prüfung und Freigabe eines Werkstücks bis zu 20 s, erkennt<br />
die KI-automatisierte Qualitätskontrolle von Deevio<br />
üblicherweise bereits innerhalb von weniger als 1 s,<br />
ob das geprüfte Produkt den vorab definierten strengen<br />
Kriterien entspricht – oder direkt ausgesondert werden<br />
muss. Die dazugehörigen „AI-Boxen“ (Mini-Computer<br />
und einsatzoptimierte Grafikkarte) lassen sich einfach<br />
in vorhandene Infrastrukturen integrieren.<br />
■<br />
Bildverarbeitungssoftware<br />
ist bereits bei der<br />
Qualitätskontrolle im<br />
Einsatz Bild: Deevio<br />
<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> <strong>05.2020</strong> 37
Das System S70 von<br />
Inspekto auf einer<br />
Produktionslinie: Auf<br />
dem Bildschirm ist das<br />
zu überprüfende Bauteil<br />
zu sehen Bild: Inspekto<br />
Plug & Play für die industrielle Bildverarbeitung mit KI<br />
Intelligent und autonom<br />
Unternehmen in allen Branchen flexibilisieren ihre Fertigungsprozesse. Sensorik hilft hier dabei<br />
zu gewährleisten, dass neue Prozesse keine Qualitätseinbußen mit sich bringen. Autonome<br />
Maschinenbildverarbeitung kann in diesem Kontext die Grenzen der Künstlichen Intelligenz (KI)<br />
ausdehnen. So kann letztlich auf Marktbedürfnisse schneller reagiert werden.<br />
Der Autor<br />
Yonatan Hyatt<br />
CTO und Mitbegründer<br />
Inspekto<br />
www.inspekto.com<br />
Industrielle Bildverarbeitung spielt eine entscheidende<br />
Rolle in der Qualitätssicherung, da sie Herstellern ermöglicht,<br />
zu ermitteln, welche Produkte gemäß den Vorgaben<br />
hergestellt wurden und welche Fehler aufweisen –<br />
eine unumgängliche Folge eines jeden Fertigungsprozesses.<br />
Durch den Einsatz von Bildverarbeitungslösungen<br />
für die Qualitätsprüfung können Fertigungsunternehmen<br />
fehlerhafte Produkte schnell und effizient identifizieren<br />
und auf diese Weise manuelle Prüfungen vermeiden,<br />
die teuer, zeitaufwändig und unzuverlässig sind.<br />
Der Erfolg der Bildverarbeitung für die Qualitätssicherung<br />
in der industriellen Fertigung beruht auf der<br />
Tatsache, dass sie schnellere, genauere und kostengünstigere<br />
Ergebnisse bietet als manuelle visuelle Inspektionen.<br />
In Deutschland bringt ein Mitarbeiter in der Automobilbranche<br />
einen Mehrwert von durchschnittlich<br />
596.000 Euro pro Jahr für das Unternehmen ein. Wenn<br />
Mitarbeiter also für mühselige Inspektionsaufgaben<br />
eingesetzt werden, die keinen Mehrwert generieren,<br />
wird dies für den Hersteller nicht effektiv sein.<br />
Darüber weisen manuelle Inspektionen eine Fehlerquote<br />
von rund 25 % auf. In komplexen Anwendungen,<br />
wie zum Beispiel bei Baugruppen mit vielen kleinen<br />
Komponenten und engen Toleranzen, kann die Fehlerrate<br />
sogar noch höher sein. Oder es kann sein, dass die<br />
manuelle Inspektion aufgrund der Komplexität der Aufgabe<br />
keine realistische Option ist.<br />
Durch den Einsatz von Bildverarbeitungslösungen<br />
können Hersteller diese Probleme überwinden, aber<br />
auch diese Lösungen sind mit vielen Nachteilen behaftet.<br />
Das erste Problem ist, dass Werkleiter keine direkte<br />
Kontrolle über das System haben, da herkömmliche Maschinenbildverarbeitungslösungen<br />
ad hoc von einem<br />
Systemintegrator entwickelt werden. Der Integrator ist<br />
verantwortlich für die Auswahl der richtigen Komponenten<br />
– Objektive, Framegrabber, Software und mehr –<br />
sowie für Konzeption, Integration und Testen der Lösung<br />
in der Produktionsstraße.<br />
Die Kosten sind ein weiteres Hindernis, da herkömmliche<br />
Lösungen einen Mindestpreis von 20.000 Euro haben<br />
und bis zu 150.000 Euro pro Prüfungspunkt kosten<br />
können. Schließlich erfordern diese Lösungen lange<br />
Stillstandszeiten, um installiert und geschult zu werden.<br />
Und sie sind inflexibel, da sie nur für die Inspektion<br />
eines bestimmten Produkts an einem bestimmten<br />
Standort ausgelegt sind.<br />
Als Antwort auf die Probleme in Bezug auf Kosten,<br />
Komplexität und mangelnde Flexibilität, die Hersteller<br />
davon abhalten, Bildverarbeitungstechnologien in großem<br />
Maßstab einzusetzen, hat Inspekto mit der autonomen<br />
Maschinenbildverarbeitung (AMV) eine neue Kategorie<br />
der Bildverarbeitung für die Qualitätsprüfung entwickelt.<br />
AMV ist eine Hybridtechnologie, die computergestütztes<br />
Sehen, Deep Learning und Softwareoptimie-<br />
38 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> <strong>05.2020</strong>
Special Bildverarbeitung ::<br />
rung in Echtzeit miteinander verbindet. Im Gegensatz zu<br />
herkömmlichen Bildverarbeitungsprojekten sind AMV-<br />
Systeme eigenständige Produkte, die beliebige Anwender<br />
in 30 bis 60 min an der Produktionslinie installieren<br />
können, ohne dabei auf einen Bildverarbeitungsexperten<br />
zurückgreifen zu müssen. Der Anwender muss dabei<br />
keine Erfahrung in der Kommentierung oder Kennzeichnung<br />
von Daten haben, da das System die Eigenschaften<br />
des zu inspizierenden Objekts vollständig autonom und<br />
mit minimalem menschlichen Eingriff lernt.<br />
Bei der Einrichtung schaltet der Anwender lediglich<br />
den Controller ein und stellt sicher, dass das Sichtfeld<br />
den zu untersuchenden Bereich abdeckt. Er platziert<br />
dann einen guten Musterartikel im Sichtfeld und markiert<br />
den Bereich von Interesse, in dem das System Fehler<br />
erkennen soll. Im Gegensatz zu herkömmlichen Qualiätssicherungslösungen,<br />
bei denen Hunderte oder sogar<br />
Tausende von guten und defekten Musterprodukten<br />
erforderlich sind, benötigen AMV-Systeme durchschnittlich<br />
nur 20 bis 30 gute Muster und keine defekten<br />
Teile. Die autonome Maschinenbildverarbeitung<br />
stellt die Parameter der herkömmlichen Qualitätssicherung<br />
auf den Kopf. Anstatt sich zu merken, wie ein fehlerhaftes<br />
Objekt aussieht, lernen Systeme – ähnlich wie<br />
ein Mensch –, wie ein einwandfreies Objekt aussehen<br />
soll.<br />
Sobald ein AMW-System in Betrieb ist, vergleicht es<br />
jedes Bild mit den der Einrichtung gespeicherten und verifiziert<br />
sowohl Formtoleranzen als auch Oberflächenvariationen,<br />
um Fehler und Mängel zu erkennen. Das System<br />
kommuniziert dann den Ort eines Defekts an einen<br />
Bediener oder eine speicherprogrammierbare Steuerung<br />
(SPS), sodass das defekte Produkt schnell aus der Produktionsstraße<br />
entfernt werden kann. Auf diese Weise werden<br />
keine Zeit und Ressourcen verschwendet werden,<br />
um ein bereits fehlerhaftes Produkt fertigzustellen.<br />
über tatsächliche Fehler, da es keine Fehlalarme aufgrund<br />
von Bewegungs-, Ausrichtungs- oder Beleuchtungsänderungen<br />
gibt. Während sie in Betrieb sind, lernen<br />
AMV-Systeme ständig weiter. Sollte das System eine<br />
Abweichung erkennen, die der Hersteller nicht als<br />
Fehler ansieht, dann lernt es daraus und meldet den<br />
gleichen Fehler in Zukunft nicht wieder.<br />
Sehr hohe Flexibilität hinsichtlich der<br />
zu inspizierenden Bauteile<br />
AMV-Systeme sind nicht produktspezifisch, sondern<br />
universell. Da sie nicht speziell für die Inspektion eines<br />
bestimmten Artikels konfiguriert werden, können sie<br />
für Artikel in beliebigen Branchen und für jegliche Fertigungsmethoden<br />
verwendet werden. AMV-Systeme können<br />
über alle gängigen Industrieprotokolle wie zum Beispiel<br />
Profinet, Ethercat oder Modbus mit den SPS des<br />
Herstellers kommunizieren, und sie können an beliebigen<br />
Positionen entlang eines Profils von Bosch installiert<br />
werden, das in den meisten Produktionsstraßen<br />
verwendet wird.<br />
Ein Techniker kalibriert<br />
das S70 System<br />
Bild: Inspekto<br />
Systeme sind selbsteinstellend, selbstlernend<br />
und selbstjustierend<br />
Die Autonomie in der autonomen Maschinenbildverarbeitung<br />
basiert auf mehreren KI-Modulen, die zusammenarbeiten.<br />
Die von Inspekto entwickelten Algorithmen<br />
machen AMV-Systeme selbsteinstellend, selbstlernend<br />
und selbstjustierend. Ein KI-Modul zur Videosensor-Optimierung<br />
passt die Beleuchtung und Kameraparameter<br />
automatisch an das zu untersuchende Produkt<br />
und die Umgebungsbedingungen an, damit das System<br />
ein Bild erhält, bei dem Fokus, Tiefenschärfe, Belichtung<br />
und Dynamikumfang perfekt sind. Dank dieser Funktionsweise<br />
können sich AMV-Systeme im Gegensatz zu<br />
herkömmlichen Lösungen an veränderte Lichtverhältnisse<br />
anpassen und zu jeder Tageszeit effektiv betrieben<br />
werden. Ein KI-Modul zur Erkennung und Ausrichtung<br />
erkennt Produkte automatisch im 3D-Raum. Dies bedeutet,<br />
dass das System Produkte auch dann erkennt,<br />
wenn sie an einem anderen Ort oder in einer anderen<br />
Ausrichtung als die gespeicherten erscheinen. Deshalb<br />
benachrichtigt das System den Bediener ausschließlich<br />
Diese Flexibilität, gekoppelt mit den minimalen Anfangsinvestitionen<br />
für AMV-Systeme, unterstützt die visuelle<br />
Qualitätssicherung in jeder Phase der Produktion<br />
– ein Ansatz, den Inspekto als Total <strong>Quality</strong> Assurance<br />
bezeichnet, also umfassende Qualitätssicherung. Im<br />
Laufe der Zeit können Hersteller mit Hilfe von Total <strong>Quality</strong><br />
Assurance Bereiche identifizieren, in denen Fehler<br />
häufiger auftreten, und diese optimieren.<br />
■<br />
Webhinweis<br />
In diesem Video von der Vision 2018 erklärt Inspekto-<br />
CEO Harel Boren den Ansatz des Unternehmens:<br />
http://hier.pro/all3U<br />
<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> <strong>05.2020</strong> 39
:: Technik<br />
Hairpins aus beschichtetem<br />
Kupfer ersetzen im<br />
neuen VW Elektromotor<br />
herkömmlichen Kupferdraht<br />
Bild: Zeiss<br />
Messtechnik ist Schlüssel für die Serienfertigung bei Volkswagen<br />
Hairpins haargenau vermessen<br />
In seinem Komponentenwerk in Salzgitter produziert Volkswagen wichtige Bauteile für den<br />
Elektromotor App 310, der seit diesem Jahr einem breiten Kundenkreis Elektromobilität<br />
ermöglicht. Das Konzept des Hairpin-Stators stellte dabei die Qualitätssicherung vor neue<br />
Herausforderungen. Eine Messlösung von Zeiss brachte den Durchbruch.<br />
Glücklich mit der Lösung von Zeiss: Die beiden VW-<br />
Mitarbeiter Pascal Schmidt (links) und Philip Kurz<br />
Bild: Zeiss<br />
Der Autor<br />
Dr. Matthias Ernst<br />
Storymaker<br />
im Auftrag von<br />
Zeiss<br />
www.zeiss.de<br />
Bis zu 310 Nm Drehmoment, 204 PS und<br />
550 km Reichweite – das sind die Eckdaten<br />
des VW ID3, dem ersten rein als Elektroauto<br />
konzipierten Serienfahrzeug von Volkswagen.<br />
Der Kompaktwagen ist der Vorreiter einer<br />
ganzen Reihe von Elektrofahrzeugen aus<br />
dem Volkswagen-Konzern, der für die Zukunft<br />
konsequent auf die Elektrifizierung<br />
seines Portfolios setzt. Und diese elektrische<br />
Zukunft ist für VW seit September Realität:<br />
Künftig sollen allein in Deutschland jährlich<br />
bis zu 500.000 ID3 vom Band laufen. Zusätzliche<br />
Werke in anderen Ländern mit hoher<br />
Nachfrage nach Elektroautos, wie etwa China,<br />
werden diese Stückzahl noch weiter erhöhen.<br />
Wesentliche Bauteile des Elektromotors<br />
für die Plattform Modularer E-Antriebs-Baukasten<br />
(MEB) entstehen im Volkswagen<br />
Group Components Werk in Salzgitter, darunter<br />
der Rotor und Stator des E-Antriebs.<br />
Beim Stator setzt Volkswagen auf ein Konzept<br />
mit Hairpins. Dadurch können Statoren<br />
in ähnlichen Taktzeiten wie beim Verbrennungsmotor<br />
hergestellt werden. Aber das<br />
ist nicht der einzige Vorteil: „Der Hairpin-<br />
Motor bietet gegenüber herkömmlichen<br />
Elektromotoren spürbar mehr Leistung bei<br />
deutlich weniger Gewicht“, erklärt Philip<br />
Kurz, der im Komponentenwerk Salzgitter<br />
zuständig ist für Motorplanung und -prüfung<br />
ist. An dieser Technologie arbeiten viele,<br />
so Kurz, „aber wir sind definitiv die ersten,<br />
die das in Großserie produzieren.“<br />
Ein wesentlicher Faktor stellte dabei ursprünglich<br />
eine Hürde dar: die Qualitätssicherung.<br />
Durch die Beschaffenheit der Hairpins<br />
ist eine Vermessung mit taktilen oder<br />
optischen Messmethoden, wie sie im traditionellen<br />
Motorenbau zum Einsatz kommen,<br />
nicht möglich. Daher hat Zeiss zusammen<br />
mit Volkswagen eine Messlösung entwickelt,<br />
die alle Anforderungen von VW erfüllt,<br />
und es dem Autobauer ermöglicht, mit<br />
der Elektromobilität wie geplant in Großserie<br />
zu gehen.<br />
Bei den Hairpins kommt<br />
die klassische Messtechnik an ihre Grenzen<br />
Beim neuen Stator des intern APP 310 genannten<br />
Elektromotors kommen statt der<br />
herkömmlichen Wicklung von Kupferdraht<br />
Hairpins aus beschichtetem Kupfer zum<br />
Einsatz. Diese werden in einem automatisierten<br />
Prozess in ihre namensgebende<br />
40 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> <strong>05.2020</strong>
Form einer übergroßen Haarnadel gebogen.<br />
Die klassische Messtechnik kam angesichts<br />
der Beschaffenheit und des Verarbeitungsprozesses<br />
hier an ihre Grenzen, erklärt Pascal<br />
Schmidt, Mitarbeiter der Qualitätssicherung:<br />
„Das Kupfer ist leicht verformbar, deswegen<br />
können wir es nicht taktil antasten.<br />
Außerdem glänzt es und ist halb lichtdurchlässig,<br />
ist also auch für optische Sensoren<br />
schwer zu erfassen.“<br />
Dazu kommt die Tatsache, dass die Form<br />
der gefertigten Hairpins nicht der der Einbauposition<br />
entspricht, wenn sie als Verbund<br />
in die Nuten des Stators eingeführt<br />
werden. Und nicht zuletzt erforderte die<br />
„virtuelle Bauraumhülle“ eine völlig neue<br />
Herangehensweise an die Qualitätssicherung<br />
im Motorenbau. Dabei muss der aus<br />
über 100 Hairpins bestehende Wickelkopf<br />
sensorisch erfasst werden. Die virtuelle Bauraumhülle<br />
deckt sich mit den Ausmaßen<br />
des Gehäuses des Elektromotors, dieses<br />
dürfen die Hairpins keinesfalls berühren.<br />
Vollständige Erfassung des<br />
Wickelkopfs war gewünscht<br />
Es galt also, eine Messlösung zu finden, die<br />
nicht nur mit dem Material der Hairpins zurechtkommt,<br />
sondern den Wickelkopf vollständig<br />
erfassen und sowohl den Fertigungs-<br />
als auch Einbauzustand der Hairpins<br />
prüfen kann. Zudem musste eine effiziente<br />
Messstrategie entwickelt werden, die zugleich<br />
alle gesetzlichen und unternehmensinternen<br />
Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen<br />
an den Elektromotor erfüllt. Denn<br />
angesichts der bis zu 16.000 1/min erfordert<br />
der Motor eine sehr hohe Güte aller<br />
Komponenten. Anfang 2019 begann die Kooperation<br />
zwischen Zeiss und Volkswagen<br />
Group Components in Salzgitter mit dem<br />
Ziel, diese Herausforderungen der Qualitätssicherung<br />
zu lösen.<br />
Durchbruch durch Multisensorik<br />
und angepasste Vorrichtungen<br />
„Als wir intern definiert hatten, welche Anforderungen<br />
wir an die Sensoren stellen,<br />
stellte sich das Multisensor-Koordinatenmessgerät<br />
Zeiss Prismo als die ideale Lösung<br />
heraus“, berichtet Kurz. Das Koordinatenmessgerät<br />
verfügt in der gewählten<br />
Konfiguration über den taktilen Scanning-<br />
Messkopf Vast XXT, den optischen Formsensor<br />
Linscan, den chromatischen Weißlichtsensor<br />
Dotscan sowie eine Dreh-Schwenk-<br />
Einheit – alles aus der Hand von Zeiss.<br />
Soweit möglich, setzt VW auf das taktile<br />
Verfahren als das genaueste, etwa um das<br />
Blechpaket des Stators zu messen. Um die<br />
virtuelle Bauraumhülle zu prüfen, kommt Linescan<br />
zum Einsatz, der den Wickelkopf als<br />
eine Punktewolke digitalisiert, die dann mit<br />
dem CAD-Modell in einem Soll-Ist-Vergleich<br />
abgeglichen wird. Zur Vermessung der Hairpins<br />
wird Dotscan verwendet.<br />
Eine Vorrichtung von Zeiss fixiert den fertig montierten Stator reproduzierbar Bild: Zeiss<br />
Ein Unternehmen von <strong>Quality</strong> Vision International<br />
Der größte optische Multisensorkonzern der Welt<br />
65719 Hofheim-Wallau<br />
T: 06122/9968-0 • www.ogpgmbh.de<br />
<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> <strong>05.2020</strong> 41
:: Technik<br />
Für die Prüfung der einzelnen Hairpins<br />
vor dem Einbau in den Stator hat Zeiss eine<br />
Vorrichtung entwickelt, die es ermöglicht,<br />
die Hairpins in genau der Position für den<br />
Messvorgang einzuspannen, wie sie später<br />
auch im Stator vorherrscht.<br />
Der Meisterbock für den Motorenbau –<br />
entwickelt von Zeiss<br />
„Dieses Vorgehen ist keineswegs neu, das<br />
kennen wir zum Beispiel aus dem Karosseriebau,<br />
dort nennt man so eine Vorrichtung<br />
einen Meisterbock“, sagt Kurz. „Jetzt wenden<br />
wir dieses Prinzip zum ersten Mal im<br />
Motorenbau an.“ Auch für das Blechpaket<br />
entstand bei Zeiss eine Aufspannvorrichtung,<br />
die dieses für die taktilen Messungen<br />
immer reproduzierbar fixiert.<br />
Die Kompetenz auf der Hardwareebene<br />
war aber nur einer von mehreren Faktoren,<br />
der Volkswagen zur Zusammenarbeit mit<br />
Zeiss brachte. „Ein weiterer ausschlaggebender<br />
Punkt war, dass Hard- und Software<br />
aus einem Guss sind“, so Kurz. „Bei allen<br />
Kurz erklärt: Der VW E-Antrieb<br />
Der taktile Scanning-Messkopf vermisst das Blechpaket, der optische Formsensor den Wickelkopf Bild: Zeiss<br />
Sensortypen arbeite ich aus der Messtechnik-Software<br />
Calypso heraus, alle Messdaten<br />
laufen da zusammen, und in der Qualitätsdatenmanagement-Lösung<br />
Piweb kann<br />
ich alles parallel dokumentieren. Diese Gesamtlösung<br />
ist unglaublich smart, stabil<br />
und anwenderfreundlich.“ Das ist insbesondere<br />
deshalb wichtig, weil die Qualitätssicherung<br />
des Elektromotors direkt in der Fertigung<br />
stattfindet. Nicht Messtechniker,<br />
sondern die Fertigungsmitarbeiter prüfen<br />
jeden Tag stichprobenartig die produzierten<br />
und montierten Komponenten.<br />
Schmidt, der die Fertigungsmitarbeiter<br />
bei dieser Aufgabe betreut, sieht dafür beste<br />
Voraussetzungen: „Zeiss bietet eine übersichtliche<br />
Oberfläche mit Bildern und Text,<br />
auf der der Mitarbeiter auswählt, was er<br />
machen will. Er spannt das zu messende Teil<br />
ein, gibt ein, aus welcher Maschine das Teil<br />
kommt, wählt das Messprogramm aus, und<br />
dann läuft das automatisch ab. Da kann<br />
man quasi nichts falsch machen.“ Auch Piweb<br />
überzeugt durch die Möglichkeit, einfach<br />
und schnell aussagekräftiger Messberichte<br />
zu erstellen und Messdaten anschaulich<br />
zu visualisieren – etwa mit interaktiven<br />
CAD-Ansichten, Formplots, Falschfarbendarstellungen<br />
oder Histogrammen.<br />
Eine ganzheitliche Messlösung,<br />
nicht nur ein Messgerät<br />
Der E-Antrieb im Volkswagen ID3 Bild: Volkswagen<br />
In jedem Elektromotor befindet sich ein fest stehender Stator und ein sich darin drehender Rotor. Der Stator besteht<br />
aus Kupferdrahtspulen. Fließt durch diese Spulen elektrischer Strom, entsteht im Stator ein umlaufendes<br />
Magnetfeld, welches den Rotor zum Rotieren bringt. Die Drehbewegung beruht auf einem einfachen physikalischen<br />
Prinzip: Ungleichnamige Pole von Magneten ziehen sich an, gleichnamige hingegen stoßen sich ab. Des<br />
Weiteren unterscheidet man zwei Arten von elektrischen Antrieben: permanenterregte Synchronmaschinen und<br />
Asynchronmaschinen. Ein starker Dauermagnet als Rotor, der synchron mit dem Magnetfeld des Stators mitläuft,<br />
zeichnet die permanenterregte Synchronmaschine aus. Bei Asynchron maschinen hingegen wird der Rotor<br />
mittels Stromzufuhr selbst magnetisiert und läuft daher dem Magnetfeld des Stators nach.<br />
Im neuen ID3 von Volkswagen wird der E-Antrieb mit der Bezeichnung „App 310“ verbaut. Hierbei handelt es<br />
sich um eine permanentmagneterregte Synchronmaschine. Aus der Bezeichnung App leitet sich die achsparallele<br />
Anordnung von Antrieb und Getriebe ab, aus der ergänzten Ziffernfolge das maximale Drehmoment von 310<br />
Nm. Die wesentlichen Bauteile für diesen Antrieb entstehen in einem Mix aus Spezialisierung und Verbundfertigung<br />
an unterschiedlichen Produktionsstandorten der Volkswagen Group Components.<br />
Auch Kurz ist froh, dass Volkswagen Group<br />
Components für die Qualitätssicherung dieser<br />
neuen Generation von Antrieben eine<br />
ganzheitliche Lösung gefunden hat: „Ich<br />
brauche gutes Equipment von Lieferanten,<br />
die wissen, worum es geht. Zeiss macht hervorragende,<br />
zu Ende entwickelte Produkte.<br />
Und wir in der Planung suchen nie nur das<br />
konkrete Gerät, sondern eine ganzheitliche<br />
Messlösung. Zeiss versteht unsere Produkte,<br />
die Messaufgabe, und sie entwickeln mit ihrem<br />
Portfolio dann die ideale Lösung, die<br />
auf unsere Anforderungen bestens abgestimmt<br />
ist.“<br />
Volkswagen kann sich jetzt ganz auf die<br />
Produktion der angepeilten Stückzahlen<br />
konzentrieren. Weitere Modelle auf der<br />
MEB-Plattform wie der Elektro-SUV ID4 stehen<br />
zudem schon in den Startlöchern. Der<br />
Hairpin-Elektromotor von Volkswagen hat<br />
also eine einsatzreiche Zukunft vor sich. ■<br />
42 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> <strong>05.2020</strong>
Mobiles Rauheitsmessgerät in der Fertigung von Langlaufskiern<br />
Mit Mikrometer-Vorsprung<br />
zum Weltmeister<br />
Fischer stellt die Skier für die Weltelite des nordischen Skisports. Ein Faktor für Erfolg oder<br />
Misserfolg ist dabei der Schliff der Bretter. Dass dieser die genau richtige Rauheit besitzt, messen<br />
die Fachleute des Herstellers mit dem Surfcom Touch 50 von Accretech. Dieses sorgt für kürzere<br />
Rüstzeiten sowie eine bessere Qualität – und ist auch im Wettkampf mit dabei.<br />
Der Schliff entscheidet,<br />
ob ein Ski optimal auf<br />
der Loipe liegt, schnell<br />
gleitet und sich gut lenken<br />
lässt Bild: Fischer Sports<br />
Wenn Sebastian Stadlbauer sein Werk verrichtet, dann<br />
geht es um Sieg oder Niederlage. Stadlbauer arbeitet<br />
beim Skihersteller Fischer in der Produktentwicklung. Er<br />
ist dort für die Skier der Spitzensportler im nordischen<br />
Bereich zuständig. Zu seinem Job gehört es, sich um den<br />
richtigen Schliff zu kümmern.<br />
Dieser hat großen Anteil daran, ob der Athlet im<br />
Langlauf oder Biathlon als erster über die Ziellinie<br />
kommt – neben anderen technischen Faktoren wie dem<br />
Ski selbst und dem Wachs. Der Schliff entscheidet, ob<br />
ein Ski optimal auf der Loipe liegt, schnell gleitet und<br />
sich gut lenken lässt. Dafür gibt es eine fast unendlich<br />
große Zahl an unterschiedlichen Muster aus Rillen, die<br />
in den Ski geschliffen werden. Die Auswahl hängt von<br />
der Beschaffenheit des Schnees ab und von den individuellen<br />
Präferenzen des Sportlers.<br />
Fischer nutzt circa 30 verschiedene Strukturen. Deren<br />
Qualität sowie die des gesamten Skis muss allerhöchsten<br />
Anforderungen genügen. Das Unternehmen<br />
rüstet schließlich die überwiegende Mehrheit der Weltklasselangläufer<br />
und -biathleten aus. „Wenn unser Produkt<br />
nicht passt, dann haben wir ein riesiges Problem“,<br />
sagt Stadlbauer. „Denn wir reden im Spitzensport von<br />
Nuancen, die entscheiden können. Wenn ein Athlet aufgrund<br />
seines Skis in der Abfahrt nur zehn Zentimeter<br />
länger gleiten und sich ausruhen kann, kann das schon<br />
den Unterschied machen.“<br />
Messung beginnt nach dem Schleifen<br />
Stadlbauer und sein Team setzen auf das Surfcom Touch<br />
50 von Accretech, um die Profile der Skier nach der Produktion<br />
zu messen. Das mobile Rauheitsmessgerät<br />
kommt zum Einsatz, wenn ein Ski eine der vier Schleifmaschinen<br />
verlässt, die bei Fischer in der Fertigung stehen.<br />
Die Maschinen schneiden mit einem Diamanten<br />
Die Autorin<br />
Mona Choueiri<br />
Content Marketing<br />
Manager<br />
Accretech (Europe)<br />
www.accretech.eu<br />
<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> <strong>05.2020</strong> 43
:: Technik<br />
Zum Unternehmen<br />
Fischer Sports ist Hersteller von nordischer und alpiner Skiausrüstung<br />
sowie Eishockeyschlägern. Das privat geführte Unternehmen beschäftigt<br />
fast 2000 Mitarbeiter. Es wurde 1924 in Ried im Innkreis, Österreich,<br />
gegründet, wo sich auch heute noch der Hauptsitz befindet. Die Produktion<br />
findet in Ried im Innkreis und in der Ukraine statt.<br />
die speziellen Rillenmuster in den Schleifstein, der diese<br />
dann auf den Kunststoffbelag des Skis überträgt.<br />
„Nachdem wir den Schliff auf der Maschine eingestellt<br />
haben, machen wir einen Probe-Ski, der gemessen<br />
wird“, erklärt Stadlbauer das Verfahren. „Wenn wir uns<br />
mit der Messung im zulässigen Toleranzbereich befinden,<br />
beginnen wir mit dem Schleifen der Skier.“ Anschließend<br />
wird in Stichproben gemessen, ob die Ober-<br />
flächenrauheit I.O. (in Ordnung) oder N.I.O. (Nicht in<br />
Ordnung) ist. So entstehen bei Fischer pro Tag 100 bis<br />
200 Skier. 20 bis 30 davon werden der Stichprobe unterzogen.<br />
„Das variiert immer etwas“, so Stadlbauer. „Es<br />
gibt Schliffe, bei denen weiß man, dass sich problemlos<br />
50 Skier fertigen lassen. Bei anderen Schliffen muss<br />
man schon nach zehn oder 20 Stück kontrollieren.“<br />
Messdaten zeigen Entwicklungen frühzeitig auf<br />
Die gewonnenen Messdaten werden abgespeichert<br />
und miteinander verglichen. „So können wir Entwicklungen<br />
erkennen und zum Beispiel sehen, ob wir eventuell<br />
die Steine oder den Diamanten wechseln müssen“,<br />
sagt Stadlbauer. Dafür sei es gut, dass man sich die Rauheitskurve<br />
genau anschauen könne.<br />
Die richtige Einstellung der Maschine ist laut dem<br />
Experten eine Herausforderung. Es gebe sehr viele Faktoren,<br />
die Einfluss auf den richtigen Schliff haben können.<br />
Neben den Steinen und Diamanten sei das unter<br />
anderem auch die Beschaffenheit des Wassers, das verwendet<br />
wird.<br />
Wenn Fischer neue Profile ausprobiert, werden diese<br />
zunächst auf einige Skier geschliffen. Anschließend<br />
wird ein Prüfprotokoll erstellt. Und dann stellen sich<br />
Stadlbauer und seine Leute selbst auf die Bretter, um<br />
diese zu testen. Denn sie alle sind auch passionierte<br />
Langläufer. Mithilfe dieser Tests arbeiten sie sich dann<br />
an den passenden Toleranzbereich für die Rauheitsmessung<br />
heran. Für diese sind der Ra-Wert, Ra-Max und Ra-<br />
Minimum sowie der Rz-Wert, Rz-Max und Rz-Minimum<br />
relevant. „Wir schauen vor allem auf den Ra-Wert und<br />
haben dabei eine Range zwischen 0,2 und 0,3 μm“, sagt<br />
Stadlbauer. So kann ein Ski dann zum Beispiel einen<br />
Schliff mit einem Ra-Wert von 2,2 bis 2,4 μm haben.<br />
Konturanalyse ohne Prüflabor<br />
Neben der Rauheitsmessung nutzen Stadlbauer und<br />
sein Team das mobile Gerät auch für eine Konturanalyse.<br />
„Ein Langlaufski hat immer eine Laufrille“, erklärt<br />
Stadlbauer. „Und wir messen mit dem Gerät, ob diese<br />
genau mittig ist und ob ihre Tiefe stimmt.“<br />
Mit dem Messgerät, das Fischer vor dem Surfcom<br />
Touch 50 im Einsatz hatte, war eine solche Konturanalyse<br />
nicht möglich. Die Skier mussten dafür immer ins<br />
Prüflabor gebracht werden. Nun kann Stadlbauer die<br />
Messung selbst durchführen.<br />
„Somit war die Konturanalyse zunächst Neuland für<br />
uns“, berichtet er. Das zeigte sich beim Einstellen des<br />
Das Surfcom Touch im Einsatz:<br />
Relevant sind der Ra-Wert,<br />
Ra-Max und Ra-Minimum<br />
sowie der Rz-Wert, Rz-Max<br />
und Rz-Minimum<br />
Bild: Fischer Sports<br />
44 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> <strong>05.2020</strong>
Surfcom Touch. Der Aufwand dafür war groß. „Das geht<br />
nicht von heute auf morgen. Wir mussten an dem Programm<br />
schon etwas herumspielen.“ Doch der Support<br />
von Accretech sei sofort zur Stelle gewesen, sagt der<br />
Produktentwickler. „Uns wurden schnell Beratung, Informationen<br />
und Videos zur Verfügung gestellt, um uns<br />
das richtige Vorgehen zu zeigen.“<br />
Für die Rauheitsmessung brauchten Stadlbauer und<br />
sein Team dagegen keinen intensiven Support. Er sieht<br />
die Bedienerfreundlichkeit als eine große Stärke des Geräts.<br />
„Man speichert einmal seine Einstellungen am Gerät,<br />
spannt den Ski ein und drückt auf den Startknopf.<br />
Das war´s.“ Die Menüführung sei sehr übersichtlich,<br />
stundenlange Schulungen der Mitarbeiter seien nicht<br />
nötig.<br />
Ski lässt sich in seiner kompletten Breite messen<br />
Auch die Verfahrgeschwindigkeit lässt sich laut<br />
Stadlbauer sehr einfach einstellen. Unabhängig von der<br />
Geschwindigkeit erhalte man immer einen genauen<br />
Wert. „Das funktioniert auch, wenn man relativ schnell<br />
fährt“, so Stadlbauer. Dank des Rauheitsmessgeräts von<br />
Accretech habe Fischer auch die Qualität seiner Produkte<br />
weiter verbessern können.<br />
Wichtig für Fischer ist auch der Verfahrweg von 50<br />
mm, den das Surfcom Touch bietet. Dadurch lässt sich<br />
ein kompletter Ski in seiner Breite messen, denn die<br />
liegt bei 44 mm. Will heißen: Der Ski kann in einem Vorgang<br />
gemessen werden, ohne ihn noch mal umdrehen<br />
zu müssen. Das reduziert die Rüstzeiten.<br />
Dass das Messgerät mobil ist, stellt einen weiteren<br />
Vorteil dar. „Man kann es überall aufstellen“, so<br />
Stadlbauer. Das sei mit dem vorherigen Gerät zwar auch<br />
möglich gewesen. Aber: Der Anwender musste stets einen<br />
Laptop mitschleppen. Das Surfcom Touch 50 lässt<br />
sich dagegen über ein 7 Zoll großes Farb-Touch-Display<br />
bedienen.<br />
Schleifmaschine und Messgerät im Gepäck<br />
Für Fischer ist diese Eigenschaft des Oberflächenmessgeräts<br />
besonders relevant. Denn wenn Athleten mit den<br />
Skiern des Unternehmens bei Weltmeisterschaften<br />
starten, ist auch Stadlbauer oder einer seiner Kollegen<br />
mit dabei. Im Gepäck haben sie dann Schleifmaschinen<br />
und das Messgerät. Bei solchen großen Wettbewerben<br />
wird alles versucht, um den Sportler bestmöglich auszurüsten.<br />
Und so bringen die Experten von Fischer das Profil<br />
der Skier in der Nacht vor dem entscheidenden Rennen<br />
noch mal auf Vordermann. Mithilfe des Surfcom<br />
Touch 50 prüfen sie dann, ob der Ski die μm-genaue<br />
Rauheit besitzt, um seinen Träger zum Weltmeister zu<br />
machen.<br />
■<br />
Webhinweis<br />
Technologie in Aktion – Videos, in denen Accretech<br />
unter anderem seine Surfcom-Touch-<br />
Geräte zeigt, finden Sie hier:<br />
http://hier.pro/sQxte<br />
HEXGEN HEXAPODS VON<br />
AEROTECH FÜR BESTE<br />
POSITIONIERUNG<br />
Positionierung in 6 Freiheitsgraden<br />
Die HexGen Hexapods von Aerotech eignen sich ideal für schwere<br />
Lasten, hohe Geschwindigkeiten und ultrapräzise Positionierung.<br />
Der HEX500-350HL bietet eine außergewöhnliche Auflösung und<br />
Genauigkeit und zählt zu den leistungsstärksten auf dem Markt.<br />
Erfahren Sie mehr über Aerotech unter aerotechgmbh.<br />
de oder kontaktieren Sie uns unter +49 911-967 9370<br />
<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> <strong>05.2020</strong> 45
:: Technik<br />
Der HP-O Hybrid erfasst<br />
Oberflächendetails<br />
schneller und mit<br />
höherer Punktdichte<br />
als taktile Lösungen<br />
Bild: Hexagon<br />
Optischer Sensor reduziert die Messzeiten drastisch<br />
Verzahnungsmessungen<br />
im Produktionstakt<br />
Für Verzahnungen hat sich die taktile Inspektion mittels Einzelpunktantastung oder Scanning<br />
bewährt. Doch mit einem optischen 4-Achsen-Scan-Sensor lassen sich die Messzeiten bei der<br />
Teilungs- und Rundlaufmessung deutlich reduzieren – und zwar um bis zu 80 %. Damit ist die<br />
Verzahnungsmessung auf Koordinatenmessgeräten in der Fertigung möglich.<br />
Der Autor<br />
Lukas Kaps<br />
Product Manager<br />
Hexagon Manufacturing<br />
Intelligence<br />
www.hexagonmi.com<br />
In industriellen Anwendungsbereichen wie dem Maschinen-<br />
und Anlagenbau, der Energieerzeugung und<br />
Präzisionsindustrie gehört die Verzahnung zu einer der<br />
wichtigsten Komponenten. Aber auch in den Bereichen<br />
Fahrzeugbau und Luftfahrt sind hochgenaue Verzahnungen<br />
unterschiedlicher Größe und Ausprägung essentieller<br />
Bestandteil der Kraftübertragung sowie<br />
Wandlung von Drehmoment und Drehzahl zwischen<br />
Motor und Achse. So hängt zum Beispiel die Haltbarkeit<br />
und Effizienz unterschiedlicher Getriebearten wie dem<br />
klassischen Stirnradgetriebe oder dem Planetenradgetriebe<br />
insbesondere von der Qualität der verbauten Verzahnungen<br />
ab und erfordert daher eine hochgenaue<br />
und reproduzierbare dimensionale Prüfung.<br />
Die taktile Inspektion von Verzahnungen mittels Einzelpunktantastung<br />
oder Scanning ist ein bewährtes<br />
Prüfverfahren. Da die Inspektion in der Regel jedoch wesentlich<br />
mehr Zeit in Anspruch nimmt als der Fertigungszyklus,<br />
ist die taktile Inspektion zwar eine passende<br />
Lösung für eine Musterinspektion, stößt aber an ihre<br />
Grenzen, wenn es um die Steuerung der Fertigung geht.<br />
Unter idealen Umständen wäre der Inspektionsprozess<br />
soweit im Gleichlauf mit der Fertigung, dass eine<br />
bessere Fertigungssteuerung möglich wäre. Die von Hexagon<br />
Manufacturing Intelligence entwickelte Produktreihe<br />
der interferometrischen optischen Sensoren verändert<br />
die Art und Weise, wie Messtechnik im Qualitätssicherungsprozess<br />
eingesetzt werden kann, grundlegend.<br />
Wo in der Vergangenheit die Hardware auf individuelle<br />
Teilmerkmale zielte, erfasst heute ein Sensor alle<br />
Details und die Software zielt auf die individuellen<br />
Merkmale.<br />
46 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> <strong>05.2020</strong>
Der optische Sensor HP-O Hybrid erlaubt den nahtlosen<br />
Wechsel zwischen taktiler und optischer Messung<br />
innerhalb einer Messroutine. Als interferometrischer<br />
Abstandssensors mit einer Auflösung von 0,003 μ und<br />
einem Messpunktdurchmesser von 11 μm misst der<br />
HP-O Hybrid metallische, technische Oberflächen und<br />
ist unempfindlich gegen Änderungen des Umgebungslichts.<br />
Das macht ihn zum idealen Sensor für das Erfassen<br />
von hochdichten Daten.<br />
Die neue optische Lösung erfasst das Oberflächenprofil<br />
der Verzahnung mit dem optischen Punktsensor<br />
während einer Rotation des Drehtischs. Im Vergleich zur<br />
taktilen Lösung werden die Prüfmerkmale dabei im Anschluss<br />
von der Software extrahiert und müssen nicht<br />
mehr separat vom Koordinatenmessgerät angesteuert<br />
werden. Somit wird wesentlich schneller eine größere<br />
Datenmengein vergleichbarer Genauigkeit erfasst. Sowohl<br />
die Teilungspunkte als auch die Rundlaufabweichung<br />
können somit aus einem einzigen Scan extrahiert<br />
werden. Aufgrund einer Datenrate von 1.000 Punkten<br />
pro Sekunde (im Gegensatz zu einem Punkt pro Sekunde<br />
bei der taktilen Einzelpunktantastung) und der<br />
dynamischen Rotation des Bauteils durch den hochgenauen<br />
Drehtisch, wird der zeitaufwändigste Teil im<br />
Messprogramm drastisch verkürzt.<br />
Um das Potential des HP-O Hybrid Sensors optimal<br />
auszuschöpfen, wird ein Koordinatenmessgerät mit geeigneter<br />
Präzision, entsprechender Dynamik und vier<br />
Achsen benötigt. Der optische Sensor lässt sich dann sowohl<br />
im Einzelpunkt-Modus, im kontinuierlichen Scanmodus<br />
oder dem sensorspezifischen Spin-Scan-Modus<br />
für die Erfassung rotationssymmetrischer Merkmale<br />
einsetzen.<br />
Verzahnungsmessung auf dem Koordinatenmessgerät<br />
Spezialmesssysteme waren lange Zeit die einzige Möglichkeit, Fertigungsfehler an Verzahnungen<br />
aufzudecken. Seit es möglich ist, Verzahnungsmessungen mit einem Koordinatenmessgerät – einem<br />
wesentlich flexibleren und vergleichsweise kostengünstigen Hilfsmittel – zu automatisieren,<br />
können heute praktisch alle Unternehmen, die Bedarf haben, solche Messungen selbst vornehmen.<br />
Ein weiterer Vorteil ist, dass viele Betriebe ohnehin über ein automatisches Koordinatenmessgerät<br />
verfügen, sodass die Messung von Verzahnungen nur eine neue Anwendung dafür ist.<br />
Die PC-DMIS Gear Messsoftware von Hexagon ist zur Inspektion unterschiedlicher Arten von<br />
Zahnrädern geeignet, darunter gerad- und schrägverzahnte Stirnräder sowie gerad- und bogenverzahnte<br />
Kegelräder. Für jedes dieser Zahnräder existieren eigene Definitionen, Algorithmen, Inspektionsanforderungen<br />
und Grafiken für Messprotokolle. Zahnräder lassen sich genau wie herkömmliche<br />
Werkstücke aufspannen, ausrichten und mit dem Koordinatenmessgerät auf der Arbeitsfläche<br />
prüfen. Zur Inspektion können taktile Sensoren, analoge scannende Sensoren und optische<br />
Sensoren eingesetzt werden.<br />
Im Spin-Scan-Modus steht der Sensor fest, während das<br />
Bauteil auf dem Drehtisch schnell gedreht wird. Ein wesentlicher<br />
Vorteil dieser Methode gegenüber einer taktilen<br />
Lösung ist, dass nur die Oberflächenpunkte erfasst<br />
werden, die im Messbereich des Sensors liegen. Die Merkmale<br />
der Bauteile können schnell und einfach programmiert<br />
und erfasst werden, was die Zykluszeiten minimiert.<br />
Sofortiges Umschalten zwischen taktilem<br />
und optischem Sensor ohne Rekalibrierung<br />
Die Messung der Profil-und Flankenlinien-Formabweichung<br />
kann aufgrund der erschwerten Zugänglichkeit<br />
in der Regel nicht mit dem optischen Sensor erfolgen.<br />
Aus diesem Grund kommt die klassische taktile Messmethode<br />
zum Einsatz. Der Wechsel vom optischen Sensor<br />
auf einen Taster bedarf keines Taster- oder Sensorwechsels.<br />
Ein sofortiges Umschalten zwischen den beiden<br />
Messmethoden ist ohne Rekalibrierung möglich.<br />
Diese Kombination von unterschiedlichen Technologien<br />
– ein ultrahochgenaues 4-Achsen-Koordinatenmessgerät,<br />
ein HP-O Hybrid-Sensor mit Spin-Scan-Modus<br />
sowie die Quindos-Software – ergibt eine durchsatzstarke<br />
und hochpräzise Lösung, die Gesamtzykluszeiten<br />
um bis zu 50 % verkürzen kann. Eine derart grundlegende<br />
Veränderung im Messverfahren ermöglicht es, Messtechnik<br />
an den Produktionstakt anzupassen und verbessert<br />
somit wesentlich den Durchsatz in der Fertigung. ■<br />
Webhinweis<br />
Durch das optische 4-Achsen-Scanning lassen sich die Messzeiten bei<br />
der Teilungs- und Rundlaufmessung deutlich reduzieren Bild: Hexagon<br />
In diesem Video zeigt Hexagon, wie die HTA-Lösung<br />
(High Throughput and Accuracy) für<br />
Getriebekomponenten funktioniert:<br />
http://hier.pro/fM5It<br />
<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> <strong>05.2020</strong> 47
:: Technik<br />
Computertomografie und Statistik wachsen zusammen<br />
Nahtloser Workflow für<br />
Inline-Anwendungen<br />
Eine effektive Qualitätssicherung benötigt automatisierte Analyseprozesse und einen<br />
unterbrechungsfreien Datenfluss. Daher verknüpfen Volume Graphics und Q-Das ihre CT- und<br />
Statistiksoftware. Das Ziel: ein durchgehender Qualitäts-Workflow vom Scan bis zur statistischen<br />
Auswertung.<br />
Der Autor<br />
Richard Läpple<br />
im Auftrag von<br />
Volume Graphics<br />
www.volumegraphics.com<br />
Die Qualitätssicherung mit Hilfe der industriellen<br />
Computertomografie beruht auf<br />
mehreren Arbeitsschritten: Scannen des<br />
Bauteils auf dem Computertomografen,<br />
Umwandeln der CT-Projektionsbilder in ein<br />
3D-Modell, Analyse des Modells – das heißt<br />
Nachmessen der Konstruktionsmaße und<br />
Überprüfung des Materials auf Defekte. Im<br />
Anschluss kann noch eine statistische Auswertung<br />
der Qualitätsdaten folgen.<br />
Alle Arbeitsschritte sind mehr oder weniger<br />
zeitaufwändig. Allein die Datenübergabe<br />
zwischen den einzelnen Schritten kann<br />
sich als Flaschenhals erweisen. Eine effektive<br />
Qualitätssicherung benötigt daher automatisierte<br />
Analyseprozesse und vor allem einen<br />
nahtlosen Datenfluss. Das gilt insbesondere<br />
für die Inline-Anwendung beziehungsweise,<br />
wenn die Analysen innerhalb des Produktionstaktes<br />
zu erfolgen haben. Vom Scan bis<br />
zur Bauteilanalyse ist die Automatisierung<br />
schon länger verfügbar. Ein letzter Bruch<br />
fand sich bis dato noch in Richtung statistische<br />
Auswertung. Unter dem gemeinsamen<br />
Dach von Hexagon haben sich Volume Graphics<br />
und Q-Das nun daran gemacht, den<br />
nahtlosen Datenaustausch zwischen CTund<br />
Statistiksoftware zu ermöglichen.<br />
48 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> <strong>05.2020</strong>
Die Integration ermöglicht einen durchgängigen<br />
Workflow: vom Scannen auf dem Computertomo -<br />
grafen über die Vermessung der CT-Modelle mittels<br />
CMM-Modul bis zur Auswertung der Ergebnisse mit<br />
der Statistik-Software Bild: Volume Graphics<br />
Ein Export von Messdaten aus dem Koordinatenmessmodul<br />
von Volume Graphics<br />
für die Q-Das-Lösungen ist bereits seit vergangenem<br />
Jahr möglich. Jetzt können CT-<br />
Analysedaten zusammen mit frei konfigurierbaren<br />
3D-Darstellungen des gescannten<br />
Bauteils oder der gemessenen Merkmale im<br />
png-Format exportiert werden. In der Praxis<br />
braucht der Anwender nur das betreffende<br />
Kästchen zu markieren, um die Darstellungen<br />
anzuhängen. Werden viele gleiche Bauteile<br />
gescannt, genügt es trotzdem, das Bild<br />
nur einmal beim initialen Aufsetzen der Inspektion<br />
zu übermitteln.<br />
„Es ist grundsätzlich möglich, jedem Datensatz<br />
ein Bild hinzuzufügen. Da es aber<br />
um die Darstellung von ganzen Messreihen<br />
über mehrere Bauteile geht, reicht eine<br />
möglichst repräsentative Ansicht im Normalfall<br />
aus“, erklärt Johannes Knopp, Produktmanager<br />
Automatisierung & Inline bei<br />
Volume Graphics. Der Vorteil für den Statistiker<br />
am Ende des Auswertungskette: Berichte,<br />
die er mit QS-Stat definieren und aufrufen<br />
kann, ermöglichen eine transparente<br />
Darstellung der CT-Messergebnisse. Es ist<br />
sofort ersichtlich, welche Messreihe zu welchem<br />
Detail des Bauteils gehört.<br />
Stand heute richtet sich der Fokus auf die<br />
Koordinatenmesstechnik – also auf Messdaten.<br />
Doch dabei wird es nicht bleiben. Der<br />
Heidelberger CT-Spezialist arbeitet daran,<br />
auch zusätzliche Ergebnisse aus dem Komplex<br />
grauwertbasierter Werkstoffuntersuchungen,<br />
wie zum Beispiel Defektanalysen,<br />
in die Exportfunktionen aufzunehmen.<br />
Mehr Transparenz über Maschine<br />
und Prozess<br />
Nutzer von QS-Stat können die ankommenden<br />
CT-Datensätze unter drei verschiedenen<br />
Gesichtspunkten auswerten: Im Vorfeld<br />
eines Produktionsstarts ist es wichtig, die<br />
Maschinenfähigkeit nachzuweisen. Anhand<br />
der Messdaten einer gewissen Anzahl von<br />
Bauteilen ermittelt das System die Cm- und<br />
Cmk-Indizes und damit, ob die Fertigungsanlage<br />
in der Lage ist, Bauteile in der geforderten<br />
Produktqualität herzustellen. Oft genügt<br />
für diesen Schritt bereits ein Los von<br />
weniger als 20 Bauteilen.<br />
Die Software nimmt außerdem eine<br />
Qualifizierung der Prozessfähigkeit unter<br />
Berücksichtigung verschiedener Einflusskomponenten<br />
vor. Wichtige Kennzahlen<br />
hierfür sind die Prozessfähigkeitsindizes Cp<br />
und Cpk. Diese Kennzahlen sind schon deshalb<br />
von großer Bedeutung, weil in vielen<br />
Fällen der Anwender den Nachweis über einen<br />
einwandfreien Prozess verlangt. Welche<br />
Parameter für den Prozessqualifizierung herangezogen<br />
werden sollen – zum Beispiel<br />
Drücke, Temperaturen oder Materialeigenschaften<br />
–, kann individuell definiert werden.<br />
Folglich lassen sich die Qualitätsvorstellungen<br />
des Unternehmens gezielt abbilden.<br />
Auf einer weiteren Ebene erlaubt QS-Stat<br />
die Anwendung statistischer Verfahren, um<br />
noch detaillierter verschiedene Korrelationen<br />
zwischen den unterschiedlichsten Produktionsparametern<br />
transparent zu machen.<br />
Ein Beispiel wäre die Variation der Einspritztemperatur<br />
um soundsoviel Grad, um<br />
darzustellen, welche Schwund- und Verzugserscheinungen,<br />
mithin Maßänderungen<br />
dies zur Folge hat.<br />
Aus dieser Funktionsübersicht wird auch<br />
klar, dass die statistischen Analysen auf weitere<br />
Daten – neben den eigentlichen Qualitätsdaten<br />
des Bauteils – angewiesen sind,<br />
um vollumfänglich zu funktionieren. Diese<br />
Metadaten stammen aus ganz unterschiedlichen<br />
Quellen. Dazu gehören Kenngrößen<br />
des Prozesses selbst oder der Peripherie, beispielsweise<br />
auch Informationen über die<br />
Produktionsmaschine.<br />
Aus der Verschiedenheit der Daten folgt,<br />
dass sie auf ganz unterschiedliche Weise zu<br />
erfassen und in den Workflow zu schleusen<br />
sind. Physikalische Größen wie Einspritzdruck<br />
oder Temperatur lassen sich mittels<br />
Sensoren feststellen. Sie können bereits<br />
beim Scannen automatisch zu den CT-Modellen<br />
hinzugefügt werden. Für periphere<br />
Informationen stehen frei definierbare Felder<br />
zur Verfügung. Andere Daten wie zum<br />
Beispiel auf dem Bauteil eingravierte Seriennummern<br />
erkennt die Analysesoftware<br />
selbst und schreibt sie in dafür vorgesehene<br />
Standardfelder. „Unsere CT-Analysesoftware<br />
ist in Sachen Metadaten sehr flexibel“,<br />
sagt Knopp. „Daten, die wir in unserer Software<br />
erfassen, auch die aus externen Systemen,<br />
können wir in die Q-Das-Software exportieren,<br />
so dass ein Workflow ohne Brüche<br />
möglich wird.“<br />
■<br />
<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> <strong>05.2020</strong> 49
:: Technik<br />
Bei der Ariane Group<br />
bereitet ein Cobot Einspritzelemente<br />
für die<br />
Schubkammer einer<br />
Trägerrakete für Tests vor<br />
Bild: Universal Robots<br />
Cobots in der Qualitätssicherung<br />
Helfer mit viel Feingefühl<br />
Tests und Analysen in der Qualitätssicherung erfordern in der Regel einen hohen Grad an<br />
Konsistenz und Präzision. Zugleich sind sie oft monoton und strapazieren die menschliche<br />
Konzentrationsfähigkeit. Kollaborierende Roboter offenbaren sich dank integrierter Sensorik und<br />
hoher Flexibilität als Lösung, auf die viele Unternehmen in ihren Prüfprozessen zurückgreifen.<br />
Der Autor<br />
Andrea Alboni<br />
Sales Manager DACH<br />
Universal Robots<br />
www.universalrobots.com<br />
Kollaborierende Roboter sind flexibel und verfügen<br />
über eine äußerst hohe Wiederholgenauigkeit. Dies<br />
schafft optimale Voraussetzungen für Tests und Analysen.<br />
Hinzukommt, dass Cobots aufgrund ihrer Leichtbauweise<br />
räumlich flexibel einsetzbar sind und im Gegensatz<br />
zu den traditionellen Industrierobotern über eine<br />
geringe Standfläche verfügen. Angesichts dieser Eigenschaften<br />
lassen sie sich unkompliziert in bestehende<br />
Fertigungs- oder Laborumgebungen integrieren.<br />
Die Roboter können auch mit Vision-Sensoren ausstattet<br />
werden, wodurch sie optische Prüfungen vornehmen,<br />
um beispielsweise Unregelmäßigkeiten an der<br />
Werkstückoberfläche erkennen können. Zudem befähigen<br />
3D-Vision-Systeme Cobots, dreidimensional zu sehen,<br />
wodurch entweder Volumina geprüft oder geometrische<br />
Abweichungen festgestellt werden können.<br />
Der Automobilzuliefer Lear Corporation etwa setzt<br />
einen Roboterarm mit Vision-System in seiner Qualitätsprüfung<br />
ein: Ein UR5 von Universal Robots montiert<br />
dort mithilfe eines Schraubendreher-Aufsatzes Autositze<br />
auf Halterahmen. Dazu nimmt er täglich rund 8.500<br />
Bohrungen vor. Wenn an einem Sitz Schrauben fehlen,<br />
erkennt der Roboter dies mithilfe des Bildverarbeitungssystems.<br />
Er löst dann einen Alarm aus und sortiert das<br />
fehlerhafte Produkt aus.<br />
Für eine sichere Zusammenarbeit mit dem Menschen<br />
sind Cobots in der Regel mit entsprechender Sensorik<br />
ausgestattet. Die Cobots der eSeries von Universal<br />
Robots beispielsweise verfügen über einen integrierten<br />
Kraft-Momenten-Sensor. Dies ist auch für Anwendungen<br />
in der Qualitätsprüfung von Nutzen. Denn derart<br />
ausgestattet sind Roboter in der Lage, auftretende Kräfte<br />
zu erfassen und auszuwerten. Damit eignen sie sich<br />
neben Belastungstests auch für haptische Prüfverfahren,<br />
zum Beispiel an Bedienelementen wie Schaltern. Ihre<br />
Sensorik erlaubt ihnen nicht nur, die Funktionsfähigkeit<br />
des jeweiligen Elements zu beurteilen, sondern<br />
auch, gegebene Toleranzen zu berücksichtigen.<br />
Wie wichtig die richtige Sensorik für den Robotik-Einsatz<br />
in der Qualitätsprüfung ist, zeigt das Beispiel der<br />
Ariane Group. Am Standort Ottobrunn bei München entwickelt<br />
und produziert das Unternehmen Triebwerks -<br />
komponenten und Ventile für Weltraumfahrzeuge – mitunter<br />
auch die Schubkammern für die europäischen Trägerraketen<br />
Ariane 5 und 6.<br />
Bei einem Raketenstart gibt es in der Regel nur eine<br />
einzige Erfolgschance. Damit in den entscheidenden Sekunden<br />
alles glatt läuft, muss die zuständige Testabteilung<br />
eine einwandfreie Funktionalität der verarbeiteten<br />
Bauteile sicherstellen. Die Tests an den Schubkammern<br />
50 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> <strong>05.2020</strong>
Incircuit-Funktionstestsysteme,<br />
Adaptionen, Kabeltester<br />
implizieren mitunter, dass 566 Einspritzelemente mit<br />
Kunststoffstöpseln versehen und verschraubt werden.<br />
Diese zeitraubende Arbeit führte lange Zeit ein Mitarbeiter<br />
händisch aus, da gängigen Automatisierungslösungen<br />
das nötige Feingefühl für die kleinteilige Arbeit<br />
fehlte.<br />
Heute bereitet ein UR5e von Universal Robots Raketen-Einspritzköpfe<br />
für Tests vor. Dank seines integrierten<br />
Kraft-Momenten-Sensors ist er in der Lage, die Einspritzelemente<br />
mit Kunststoffstöpseln zu bestücken<br />
und anschließend mit Messinghülsen zu verschrauben.<br />
Nach dem Testverfahren montiert der Roboterarm die<br />
Elemente wieder ab.<br />
Änderungen brauchen keinen Programmierer mehr<br />
Neben der Entlastung der Mitarbeiter bringen Cobots<br />
auch den Vorteil mit, dass sie sich leichter programmieren<br />
lassen. So sind auch Mitarbeiter ohne entsprechende<br />
Expertise in der Lage, Cobots Aufträge zuzuweisen.<br />
Dies geschieht beispielsweise bei Nordic Sugar, das in<br />
Schweden eine der größten Zuckerfabriken Europas betreibt.<br />
Circa 80.000 Zuckerrübenproben analysiert die<br />
dortige Testabteilung pro Jahr. Da das Einwiegen der Behälter<br />
sehr monoton ist, setzt Nordic Sugar schon seit<br />
1993 auf Roboter. Jedoch waren diese schwierig zu bedienen,<br />
sodass bei jeder Änderung ein Programmierer<br />
geholt werden musste. „Das war sehr kostenintensiv”,<br />
erklärt Bo Berghdahl, Leiter der Produktions- und Analyseabteilung<br />
bei Nordic Sugar.<br />
Das Unternehmen entschied sich daher für die kollaborative<br />
Robotertechnologie von Universal Robots. Heute<br />
befördern drei UR5-Roboter die zu analysierenden<br />
Zuckerbehälter von den Waagen zu den Filtern und<br />
bringen sie nach der Analyse wieder zurück. Nach einer<br />
erfolgreichen Risikobeurteilung dürfen die Cobots ohne<br />
Schutzumhausung neben den Mitarbeitern arbeiten.<br />
Diese können den Roboterarmen über das zugehörige<br />
Teach Panel selbst neue Aufträge zuweisen, wodurch<br />
der Prozess nun wesentlich günstiger ist.<br />
■<br />
Testsysteme für elektronische Flachbaugruppen,<br />
Module und Geräte für die Qualitätssicherung<br />
Incircuit- und Funktionstest, Boundary Scan,<br />
Mehrfachnutzentest, Paralleltest (auch Flashen),<br />
Displaytest, EOL<br />
praxisnahe und anwenderfreundliche Testprogrammerstellung,<br />
hohe Prüfschärfe und Prüftiefe<br />
breitestes Spektrum an Produkten für das automatische<br />
Testen aus eigener Entwicklung<br />
Stand-alone und Inline-Einsatz<br />
manuelle und pneumatische Adaptionen<br />
Niederhaltersysteme für bis zu 1000 gefederte<br />
Kontaktstifte<br />
austauschbare Adapterplatten (Nadelbett)<br />
langlebig und geringe Folgekosten<br />
MCT192 Kabel- und Backplanetester mit 192<br />
Messkanälen<br />
Teststecker für viele gängige Kabel<br />
optionales Lochrasterfeld<br />
Prüfprogrammerstellung mit Autolern von einem<br />
<br />
REINHARDT<br />
System- und Messelectronic GmbH<br />
Bergstr. 33 D-86911 Diessen Tel. 08196 934100 Fax 08196 7005<br />
E-Mail: info@reinhardt-testsystem.de http://www.reinhardt-testsystem.de<br />
Erste Hilfe.<br />
Selbsthilfe.<br />
Beim Automobilzulieferer Lear Corporation erkennt ein kollaborierender<br />
Roboter mithilfe eines Vision-Systems, wenn ein Sitz fehlerhaft<br />
verschraubt ist, und sortiert diesen aus Bild: Universal Robots<br />
Wer sich selbst ernähren kann,<br />
führt ein Leben in Würde.<br />
brot-fuer-die-welt.de/selbsthilfe<br />
<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> <strong>05.2020</strong> 51
:: Produkte<br />
Qualität 4.0 im Fokus<br />
Mittelständische Unternehmen in ihrem Qualitätsmanagement unterstützen –<br />
das ist die Idee eines gemeinsamen Projekts des Fraunhofer-Instituts für<br />
Produktionstechnologie (IPT) und der Fachhochschule Südwestfalen. Die beiden<br />
Partner entwickeln dafür ein Qualität-4.0-Modell und ein Softwaretool.<br />
Als Ergebnis des Fraunhofer-Projekts „Qbility<br />
– <strong>Quality</strong> 4.0 Capability Determination<br />
Model“ soll ein Reifegradmodell erarbeitet<br />
werden, das die individuellen Anforderungen<br />
von KMU in ihren jeweiligen Unternehmensbereichen<br />
berücksichtigt. Die Forscher<br />
entwickeln auf Basis des Modells eine Software,<br />
die dem Unternehmen konkrete Maßnahmen<br />
empfiehlt, anhand derer es digitale<br />
Technologien in seine Prozesse integrieren<br />
Im Projekt Qbility<br />
werden KMU dabei<br />
unterstützt, digitale<br />
Technologien in ihre<br />
Prozessezu integrieren<br />
und so ihre Qualitätsstandards<br />
zu verbessern<br />
Bild: bakhtiarzein/<br />
stock.adobe.com<br />
und so seine Qualitätsstandards verbessern<br />
kann. In Kooperation mit den Partnerunternehmen<br />
im Projektausschuss wird die Software<br />
in der industriellen Praxis validiert.<br />
Das Modell basiert auf einer generischen<br />
Roadmap, die dem KMU eine Maximallösung<br />
der Qualitätssicherung in einer Industrie<br />
4.0 aufzeigt. Sie beziffert Kosten und<br />
Nutzen neuer Technologien, die KMU praktisch<br />
in ihren Unternehmensprozessen einsetzen<br />
können. Anhand von Checklisten für<br />
jeden Unternehmensbereich werden der<br />
Status quo und der Bedarf zur Verbesserung<br />
des Qualitätsmanagements festgestellt.<br />
Dabei wird berücksichtigt, in welchem Funktionsbereich<br />
neue Technologielösungen eingesetzt<br />
werden sollen und welchen Zweck<br />
sie erfüllen.<br />
Auf Basis des Modells entwickeln die Projektpartner<br />
ein webbasiertes Softwaretool.<br />
Dieses Tool können Anwender für ihr Unternehmen<br />
zur Analyse und Orientierung nutzen,<br />
um den Reifegrad des eigenen Qualitätsmanagements<br />
zu bestimmen und Maßnahmen<br />
zur Weiterentwicklung abzuleiten.<br />
Die Potenziale neu eingesetzter Technologien<br />
für die Qualitätssicherung können damit<br />
auch von produzierenden KMU effizient<br />
und gewinnbringend ausgeschöpft werden.<br />
Das Forschungsprojekt hat eine Laufzeit von<br />
zwei Jahren und wird durch das Bundeswirtschaftsministerium<br />
gefördert. ■<br />
Bildverarbeitung<br />
Tief ins Glas geschaut<br />
Ein neuer Blasenprüfautomat,<br />
den Bi-Ber Bilderkennungssysteme<br />
speziell für einen Hersteller<br />
von Quarzglasprodukten gefertigt<br />
und programmiert hat, liefert<br />
die Daten für den optimalen<br />
Zuschnitt von Glasbarren. Der<br />
Kunde hat die Glasbarren in der<br />
Vergangenheit manuell geprüft.<br />
Der Zeitaufwand, der je nach<br />
Barrengröße und Zahl der zu untersuchenden<br />
Blasen stark variiert,<br />
ist mit Einführung des automatischen<br />
Messsystems um<br />
mehr als 90 % gesunken. Das<br />
optische Inspektionssystem des<br />
Berliner Unternehmens erreicht<br />
hohe, gleichbleibende Genauigkeit.<br />
Es detektiert und vermisst<br />
Blasen bis 50 μm Durchmesser<br />
und ermittelt die 3D-Koordinaten,<br />
sodass der Anwender anschließend<br />
die optimalen<br />
Schnittebenen für seine Quarzglasprodukte<br />
ermitteln kann,<br />
um Ausschuss zu minimieren.<br />
Das System ist für bis zu 500 kg<br />
schwere Glasbarren mit Kantenmaßen<br />
bis maximal 880 mm x<br />
630 mm x 450 mm ausgelegt. Es<br />
besteht aus einem stabilen<br />
Edelstahlschrank, der durch eine<br />
Lichtgitter-geschützte Öffnung<br />
mit einem Kran beladen wird. ■<br />
Prüfgerät<br />
Elastomere im Belastungstest<br />
Zwei Prüfgeräte zur Prüfung von elastomeren Werkstoffen hat<br />
Hegewald & Peschke ausgeliefert. Neben der Qualitätssicherung,<br />
die vorwiegend die mechanische Belastbarkeit – Zugfestigkeit<br />
und Reißdehnung –untersucht, werden beide Prüfmaschinen<br />
auch in der Entwicklung eingesetzt. Die Mischungsund<br />
Verarbeitungsqualität der Blends als auch die Lebensdauer/Alterungsbeständigkeit<br />
sollen damit optimiert werden. In<br />
einem Fall handelt es sich um eine verlängerte Inspekt Duo<br />
5kN mit einer Prüfraumhöhe von 1325 mm. Sie ist ausgestattet<br />
mit einer motorisierten Normringprüfeinrichtung TH44–2,<br />
mit der O-Ringe gemäß der Normen<br />
DIN 53504, ASTM D412, ISO 5893, BS<br />
3704, ISO 4074, ISO 19671 geprüft<br />
werden. Im anderen Fall<br />
wurde eine Inspekt Table 10kN<br />
mit einem Keilspannzeug ausgeliefert<br />
für thermoplastische Elastomere.<br />
Die Zugfestigkeitsprüfung erfolgt<br />
materialabhängig nach DIN EN ISO 527<br />
und ISO 37. Ein Langwegdehnungsmessgerät<br />
kommt zum Einsatz, um die<br />
Anforderungen der ISO 527 zur E-Modulbestimmung<br />
zu erfüllen.<br />
■<br />
52 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> <strong>05.2020</strong>
Automatisierung<br />
Roboter hilft beim Messen<br />
Mit der R-Serie stellt Creaform<br />
ein neues Komplettpaket an automatisierten<br />
Lösungen für die<br />
Qualitätssicherung zur Verfügung.<br />
Sie besteht aus dem robotergeführten<br />
Scanner Metrascan-R<br />
Black Elite, zusätzlichen<br />
Modellen der 3D-Scan-CMM<br />
Cube-R sowie dem Softwaremodul<br />
VX Scan-R für den digitalen<br />
Zwilling. Der Metrascan-R Black<br />
Elite sorgt für eine sehr kurze Zykluszeit<br />
mit 45 blauen Laserlinien<br />
für einen hochdichten Scanbereich,<br />
der bis zu 1,8 Millionen<br />
Messungen pro Sekunde durchführt<br />
und Live-Netze erzeugt.<br />
Das System verfügt über eine<br />
Genauigkeit von 0,025 mm unter<br />
Fertigungsbedingungen, unabhängig<br />
von Instabilitäten, Vibrationen<br />
und Temperaturschwankungen.<br />
Es bietet eine<br />
Messauflösung von 0,025 mm,<br />
die hochdetaillierte Scans erzeugt,<br />
ungeachtet der Oberfläche,<br />
des Beschnitts, der geometrischen<br />
Eigenschaften oder des<br />
Blechmaterials. Die neue Software<br />
VX Scan-R für digitale Zwillingsumgebungen<br />
erlaubt Benutzern<br />
aller Erfahrungsstufen<br />
die einfache und schnelle Programmierung<br />
von Roboterpfaden<br />
sowie Optimierung der<br />
Sichtlinie des Robotiksystems. ■<br />
Dichtheitsprüfungen<br />
Sieht Leckagen bei Transponder<br />
Das Differenzdruckprüfgerät Cetatest 515 von Ceta in der Variante<br />
„Verschlossenes Prüfteil, hochauflösend“ wurde speziell<br />
für die prozesssichere Dichtheitsprüfung kleinvolumiger Prüfteile<br />
und die Erkennung sehr geringer Volumenunterschiede<br />
entwickelt. Zum Einsatz kommt es etwa bei der Inline-Dichtheitsprüfung<br />
von RFID-Transpondern. Dabei werden hochempfindliche<br />
Drucksensoren und eine auf die Erkennung von<br />
geringsten Volumenunterschieden optimierte Messtechnik<br />
eingesetzt. So lassen sich in einem Volumen von 10 cm³ Volumenunterschiede<br />
von nur 0,03 cm³ prozesssicher auflösen. Der<br />
runde Transponder hat einen Durchmesser von 30 mm und ist<br />
6 mm hoch und soll bei einem Druck von 200 mbar wasserdicht<br />
sein. Für Wasserdichtheit wird häufig die industriell übliche<br />
Luftleckrate von 0,01 mbar*l/s (entsprechend 0,6 cm³/min)<br />
zugrunde gelegt. Das Außenvolumen<br />
des Transponders<br />
beträgt 4,24 cm³. Die<br />
konturnahe Prüfhaube hat<br />
ein Leervolumen von 5,28<br />
cm³. Grobleck- und Feinleckprüfung<br />
können mit Cetatest<br />
in einer Zeit von unter 3<br />
s durchgeführt werden. ■<br />
Computertomografie<br />
Vereinfacht komplexe<br />
Volumendaten-Analysen<br />
Die Software Volume Inspect<br />
von GOM ermöglicht komplette<br />
Computertomografie-Datenanalysen<br />
in 3D aus jedem beliebigen<br />
CT, um die Bauteilqualität<br />
zu beurteilen und den Fertigungsprozess<br />
zu optimieren. Sie<br />
verwendet ein intelligentes Datenmanagementkonzept,<br />
das<br />
das Handling größerer Volumendatenpakete<br />
erleichtert<br />
und Auswerteprozesse beschleunigt.<br />
Die Software enthält<br />
eine Funktion für Volumendarstellungen,<br />
die das komplette<br />
Bauteil mit seinen<br />
innenliegenden<br />
Strukturen visualisiert.<br />
Darüber hinaus<br />
kann der Anwender<br />
das Objekt<br />
an jeder beliebigen<br />
Stelle schneiden<br />
und Schicht<br />
für Schicht ansehen.<br />
So lassen sich selbst kleinste<br />
Details prüfen und ausführliche<br />
Informationen über die Bauteilqualität<br />
gewinnen. Volume<br />
Inspect erkennt zudem automatisch<br />
Volumenfehler in Bauteilen<br />
wie zum Beispiel Lunker.<br />
Durch Überprüfung der Defektabmessungen<br />
einschließlich Volumen,<br />
Durchmesser und Abstand<br />
zur Außenhülle ermöglicht<br />
sie hochpräzise Qualitätsaussagen<br />
zum Bauteil. Zudem<br />
lassen sich CT-Volumendaten<br />
dimensionell auswerten. ■<br />
Sensorik<br />
Automatiserte Inspektionen<br />
leicht gemacht<br />
Mit der neuen Sensorapp<br />
<strong>Quality</strong> Inspection auf den<br />
2D-Vision-Sensoren der Inspector<br />
P6xx Baureihe von<br />
Sick lässt sich die Inspektion<br />
von Produktion, Montage<br />
und Verpackung oder<br />
die Lokalisierung und Vermessung<br />
von Teilen automatisieren.<br />
Auch das Prüfen,<br />
Zählen und Messen<br />
von Produktmerkmalen<br />
stellt für die neue Sensorlösung keine Herausforderung dar.<br />
Werkzeuge zur Bildverarbeitung und -integration können nach<br />
Bedarf über einen Webbrowser konfiguriert und kombiniert<br />
werden. Der Anwender kann einfach Standard- und kundenspezifische<br />
Nova-Werkzeuge hinzufügen, um die Funktionalität<br />
zu erweitern. Kundenspezifische Werkzeuge sind benutzerdefiniert<br />
und ermöglichen die schnelle Lösung spezieller Inspektionsanforderungen.<br />
Der Inspector P62x, ein integriertes<br />
System aus elektronisch einstellbarer Optik und flexibler Beleuchtung,<br />
liefert sofort nach dem Auspacken hochwertige Bilder.<br />
Seine Funktionalität kann dank der wachsenden Anzahl<br />
von Nova-Tools und Sensoapps bei Bedarf durch kundenspezifische<br />
Entwicklungen erweitert oder ersetzt werden.<br />
■<br />
<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> <strong>05.2020</strong> 53
:: Produkte<br />
Systeme für die Kunststoffbranche<br />
Das SKZ entwickelt und vertreibt nun auch Systeme für die zerstörungsfreie Prüfung.<br />
Dabei wird das in in vielen Forschungsvorhaben gewonnene Wissen in die neuen<br />
Lösungen für die Kunststoffindustrie transferiert. Die Kunden sollen dabei von ganzheitlichen<br />
Lösungen aus einer Hand profitieren.<br />
Nur durch fundiertes Kunststoffwissen und Gefühl für die vorliegende Fragestellung<br />
lässt sich ein ganzheitliches Prüfsystem anbieten, bei dem der Anwender keine<br />
Messdaten auswerten muss (links), sondern die pragmatischen Kennwerte erhält,<br />
die ihn eigentlich interessieren (rechts) Bild: SKZ<br />
Unter den Verfahren für die zerstörungsfreie Prüfung, die das SKZ<br />
anwendet, gehören Ultraschall-, Terahertz-, Mikrowellen- oder<br />
Röntgentechnik sowie die Thermografie oder Shearografie. Allen<br />
Verfahren ist gemein, dass die bloße Anwendung der Messtechnik<br />
an sich nicht zielführend ist und keinen Mehrwert für den Anwender<br />
liefert.<br />
„Erst die Referenzierung mit alternativen Methoden und die Ableitung<br />
einer anwendungsspezifischen Datenauswertung ermöglichen<br />
das Angebot einer zuverlässigen Prüfanlage“, sagt Giovanni<br />
Schober, Leiter der Abteilung für zerstörungsfreie Prüfung am SKZ.<br />
„Hierbei ist grundlegendes Kunststoffwissen und spezielles Wissen<br />
zur vorliegenden Fragestellung erforderlich. Dadurch können sicher<br />
und genau die pragmatischen Merkmale abfragt werden, die den<br />
Anwender in Realität auch interessieren.“<br />
Das SKZ widmete sich in den vergangenen Jahrzehnten im Rahmen<br />
von zahlreichen Entwicklungsprojekten der Überführung von<br />
Rohdaten in Merkmale, wie zum Beispiel Geometrieinformationen,<br />
materialspezifische Eigenschaften, das Vorhandensein von herstellungs-<br />
und betriebsbedingten Fehlstellen oder Aussagen zum Aggregatszustand.<br />
Das Kunststoff-Institut in Würzburg legt besonderen Wert auf eine<br />
auf Dauer ausgelegte Betreuung und Wartung der Systeme. ■<br />
Messtechnik<br />
Vereinfachte Strahlmessungen<br />
Mit dem kompakten optischen<br />
System Ophir Wide Beam<br />
Imager (WB-I) von MKS<br />
Instruments werden<br />
Messungen<br />
großer<br />
und<br />
divergenter<br />
Strahlen<br />
deutlich<br />
vereinfacht.<br />
Leistungsverteilung<br />
und Strahldurchmesser<br />
von VCSELs, LEDs,<br />
kantenemittierenden oder Faserlasern<br />
lassen sich damit in<br />
Kombination mit einem kamerabasierten<br />
Strahlprofilmessgerät<br />
präzise messen. Das WB-I bildet<br />
jede Strahlform (rund, linienförmig<br />
oder eckig) ab, die zu<br />
groß ist für einen konventionellen<br />
kamerabasierten Sensor. Es<br />
verfügt über eine Apertur von<br />
48 mm und<br />
erlaubt<br />
Einfallswinkel<br />
bis<br />
70 Grad.<br />
Die Strahlen<br />
treffen auf einem<br />
durchlässigen Diffusorschirm<br />
und werden von<br />
dort mit einer kalibrierten Optik<br />
erneut abgebildet, um ein vollständiges<br />
und präzises Bild der<br />
Intensitätsverteilung des Lichts<br />
zu erhalten. In Kombination mit<br />
kamerabasierten Strahlprofilmessgeräten<br />
eignet sich das<br />
WB-I für Messungen in der Entwicklung<br />
und Prüfung von<br />
VCSEL-basierenden Lidar-Systemen,<br />
Hochgeschwindigkeits-<br />
Netzwerklösungen, 3D-Sensoren,<br />
Autofokus- und Machine Vision-Lösungen.<br />
■<br />
Multisensor-Koordinatenmessgerät<br />
Auch für große Bauteile<br />
Werth hat die Geräteserie Scopecheck FB DZ nach oben ausgebaut.<br />
Der verfügbare maximale Messbereich wurde für große<br />
Bauteile fast verdoppelt. Verfügbar sind nun Messbereiche von<br />
530 mm x 500 mm x 350 mm bis 2130 mm x 1000 mm x<br />
600 mm. Je nach Anwendung kann das passende Grundgerät<br />
ausgewählt und nach individuellen Bedürfnissen mit Sensoren<br />
ausgestattet werden. Zusätzlich lassen sich der Glastisch<br />
und die Durchlichteinheit mit wenigen Handgriffen demontieren.<br />
Dadurch ist es möglich, besonders schwere Messobjekte<br />
oder Vorrichtungen direkt auf den Messtisch aus Granit aufzulegen<br />
beziehungsweise zu montieren. Unterschiedliche Sensoren,<br />
beispielsweise der Werth Zoom mit integriertem Werth<br />
Laser Probe, der taktil-optische Contour Probe und konventionelle<br />
Scanning-Taster, können bei<br />
der der Baureihe Scopecheck FB<br />
DZ an zwei unabhängigen Sensorachsen<br />
genutzt werden. Während<br />
mit dem ersten Sensor<br />
an einer Pinole Messungen<br />
durchgeführt werden, befindet<br />
sich die andere Pinole außerhalb<br />
des Messbereichs in Parkposition.<br />
■<br />
54 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> <strong>05.2020</strong>
Flüssigkeitsmanagement<br />
Misst kleinste Durchflüsse<br />
Für die Kalibrierung kleinster<br />
Durchflüsse (< 0,1 ml/min) baut<br />
die Physikalisch-Technische Bundesanstalt<br />
(PTB) derzeit ein Kolbensystem<br />
zur volumetrischen<br />
3D-Messtechnik<br />
Durchflussbestimmung auf, bei<br />
dem oberhalb der Dichtung des<br />
vertikal verfahrenen Kolbens eine<br />
Flüssigkeit mit geringem<br />
Dampfdruck eingebracht werden<br />
kann. Die bei diesem Messprozess<br />
üblicherweise entstehenden<br />
Unsicherheiten durch<br />
thermische Einträge werden minimiert.<br />
Ein optischer Kanal ermöglicht<br />
über die Detektion der<br />
Höhe des Flüssigkeitspegels in<br />
zwei Sichtfenstern zusätzlich<br />
das Aufspüren von Undichtigkeiten<br />
im System. Dies ist vor allem<br />
von Interesse für Prüflaboratorien<br />
und Hersteller von<br />
Durchflussmessgeräten. ■<br />
Effizient inspiziert mit Robot und KI<br />
Das Robotersystem Kitov One vereint Inspektions- und Bildverarbeitungstechnologie,<br />
Robotik und Künstliche Intelligenz in einem Gerät,<br />
das auf einen Bereich von 100 μm ausgerichtet ist. Die Technologie,<br />
die von Atecare vertrieben wird, kann verschiedene Materialien<br />
wie zum Beispiel Kunststoffe, 1D- und 2D-Barcodes, Beschriftungen<br />
(OCR, OCV), Schrauben, Steckverbinder sowie Anschlüsse inspizieren<br />
und darauf hin prüfen, ob Komponenten vorhanden sind<br />
und richtig verbaut wurden. Zudem übernimmt der Roboter die einfache<br />
Oberflächeninspektion aller sichtbarer Flächen eines Produkts.<br />
Einsetzen lässt<br />
sich das auf Standardkomponenten<br />
basierende<br />
Inspektionssystem<br />
überall dort, wo<br />
komplette Produkte<br />
hergestellt werden. Außerdem<br />
kann das System<br />
in bestehende Fertigungen<br />
eingebunden<br />
und an die Anforderungen<br />
unterschiedlichster<br />
Applikationen angepasst<br />
werden. Dabei<br />
eignet sich die Technologie<br />
gleichermaßen<br />
zur Zwischenprüfung<br />
während der Montage<br />
als auch zur Endkontrolle<br />
eines fertigen<br />
Produkts.<br />
■<br />
Simulation<br />
Festigkeitsnachweis trotz<br />
Porenbildung<br />
Merkle & Partner ermöglicht<br />
Gießereien die<br />
Modellierung von Poren<br />
und Lunkern auf Basis<br />
von Simulationstechnologien,<br />
die um bildgebende<br />
Verfahren ergänzt<br />
werden. Dies war bis dato in herkömmlichen FEM-Systemen<br />
aufwändig und nicht wirtschaftlich abbildbar, was vor allem<br />
im Leichtbau eine Hürde für einen soliden Festigkeitsnachweis<br />
darstellt. Basis der Simulationen ist eine Software<br />
von Volume Graphics. Dabei werden Bauteile über Computertomografie<br />
(CT) komplett durchleuchtet. Aus den aufgenommen<br />
Projektionen rekonstruiert die Software ein dreidimensionales<br />
Volumen einschließlich aller Informationen über Materialien<br />
und Geometrien. So werden die Formteile bei Merkle &<br />
Partner durch eine CT schnittweise vermessen und als Volumenmodell<br />
aufbereitet. Mit netzfreien Lösungsalgorithmen<br />
(Immersed Boundary Solver) lassen sich unter Annahme eines<br />
rein linearelastischen Verhaltens die Spannungen des realen<br />
Bauteils bestimmen und bewerten.<br />
■<br />
3D-Profilsensor<br />
Blaulicht für die Batterie-Inspektion<br />
Die drei neuen Linienprofilsensoren<br />
Gocator<br />
2430/2440/2450 mit blauem<br />
Laser von LMI bieten präzises<br />
3D-Scanning von glänzenden<br />
Metalloberflächen.<br />
Aufgrund seiner kürzeren<br />
Wellenlänge erzielt blaues<br />
Laserlicht beim Scannen<br />
spiegelnder Oberflächen eine<br />
bessere Leistung als rote<br />
oder grüne Laser. Ein blauer<br />
Laser erzeugt „sauberere“<br />
Profile, das heißt weniger Laser-Speckle<br />
auf glänzenden<br />
Messobjekten und erreicht<br />
dadurch eine höhere Messgenauigkeit.<br />
Die drei neuen Modelle verfügen über die neue<br />
2-Megapixel-Imaging-Technologie, einen maßgeschneiderten<br />
eingebetteten Prozessor und eine optimierte Messoptik, die<br />
hohe Messfrequenzen bis zu 5 kHz und eine erhöhte Empfindlichkeit<br />
bei reflektierenden Messobjekten ermöglichen. Sie eignen<br />
sich besonders für Anwendungen wie die Inspektion von<br />
Elektroden-Batterien (Elektroden-Breitenmessung, Messung<br />
des Elektroden-Kantenprofils, Tab-Abstandsmessung), der Batterie-Zellassemblierung<br />
oder auch von flachen oder zylindrischen<br />
Batterieoberflächen.<br />
■<br />
<strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> <strong>05.2020</strong> 55
:: <strong>Quality</strong> World<br />
Mit einer Drohne verschaffen sich<br />
die Wissenschaftler einen Überblick<br />
über die gesamte Obstanlage. Zukünftig<br />
sollen die Kankheitssymp -<br />
tome direkt anhand der spektralen<br />
Signatur aus Drohnen- oder Satellitenbildern<br />
ermittelt werden<br />
Bild: Fraunhofer IFF/Uwe Knauer<br />
Intelligenter Obstanbau<br />
Mit Hyperspektralanalyse<br />
Schädlingen auf der Spur<br />
Mit Satellitenbildern und Hyperspektralanalyse detektieren Fraunhofer-Forscher den<br />
Krankheitsbefall von Apfel- und Birnbäumen aus der Luft. Für die Analyse der<br />
Krankheitssymptome nutzen sie Methoden des maschinellen Lernens. Aufwändige<br />
Vor-Ort-Beurteilungen und Laboranalysen könnten damit künftig entfallen.<br />
Der Autor<br />
René Maresch<br />
Presse und<br />
Öffentlichkeitsarbeit<br />
Fraunhofer IFF<br />
www.iff.fraunhofer.de<br />
Der Apfelanbau hat in Deutschland eine lange Tradition,<br />
ebenso wie in Polen, Italien und Frankreich. Mit 13,8<br />
Mio. t (Eurostat 2018) ist der Apfel nach Angaben des<br />
Statistischen Amts der Europäischen Union (Eurostat)<br />
die meistproduzierte Frucht in Europa. Weniger bedeutend<br />
ist der Birnenanbau. Beiden Obstkulturen gemein<br />
ist jedoch, dass sie unter weit verbreiteten Krankheiten<br />
leiden: Die Apfeltriebsucht und der Birnenverfall können<br />
zu kompletten Ernteausfällen befallener Bäume<br />
führen. Der wirtschaftliche Schaden ist immens.<br />
Verursacher der Erkrankungen sind Phytoplasmen.<br />
Insekten übertragen die zellwandlosen Bakterien, die<br />
als Parasiten im Baum heranwachsen. Dort besiedeln<br />
sie vor allem die Siebröhren. Um die Ausbreitung der Erkrankung<br />
zu verhindern, müssten gegen die Insekten<br />
prophylaktisch Insektizide eingesetzt werden. Die Phytoplasmen<br />
selber können bisher nicht direkt bekämpft<br />
werden.<br />
Der Krankheitsbefall lässt sich nur durch eine teure<br />
molekulare Analyse – eine Polymerase-Kettenreaktion<br />
(PCR) – feststellen. Alternativ nimmt geschultes Personal<br />
eine visuelle Bonitur vor, bei der jeder Baum einzeln<br />
untersucht wird. Symptome der Apfeltriebsucht sind<br />
Hexenbesen, vergrößerte Nebenblätter und eine vorzeitige<br />
Rotfärbung im Herbst, die durch einen Chlorophyllabbau<br />
hervorgerufen wird. Dann ist die Erkrankung aber<br />
schon weit fortgeschritten. Beim Birnenverfall gibt es<br />
keine typischen Symptome – nur eine Rotfärbung.<br />
Spektrale Signatur – Reflexionsverhalten verändert<br />
sich je nach Wellenlänge des Lichts<br />
Sinnvoll wäre es daher, wenn man den Abbau des Chlorophylls<br />
bereits im Sommer erkennen und so die Ausbreitung<br />
von Apfeltriebsucht und Birnenverfall verhindern<br />
könnte. An einer solchen Frühdiagnostik arbeiten<br />
Forscher am Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und<br />
-automatisierung IFF in Magdeburg – und zwar<br />
gemeinsam mit dem Institut für Pflanzenforschung<br />
Alplanta aus Neustadt an der Weinstraße und Spatial<br />
Business Integration. Das Unternehmen aus Darmstadt<br />
befasst sich mit satellitenbildbasierten Dienstleistungen.<br />
Dabei setzen die drei Partner auf die Fernerkundung<br />
aus der Luft, konkret auf die Hyperspektralanalyse. „Bei<br />
diesem Verfahren wird Licht in Wellenlängen zerlegt.<br />
Weist eine Pflanze bei einer Blattprobe im Labor Symptome<br />
auf, so zeigt sich dies in bestimmten Wellenlängenbereichen<br />
deutlicher und früher als allein im sichtbaren<br />
Bereich. Bei einer kranken Pflanze wird mehr rotes<br />
56 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> <strong>05.2020</strong>
Vermessung von Blattproben mit Hyperspektralkameras<br />
im Labor: Die Auswertung<br />
der Bilddaten durch maschinelles Lernen<br />
erlaubt Rückschlüsse auf zur Symptomerkennung<br />
besonders wichtige Wellenlängen.<br />
Sie ermöglicht so die Entwicklung<br />
von angepassten optischen Analysever -<br />
fahren für den Praxiseinsatz<br />
Bild: Fraunhofer IFF/Uwe Knauer<br />
als grünes oder blaues Licht reflektiert“, erläutert Dr.<br />
Uwe Knauer, Wissenschaftler am Fraunhofer IFF und Experte<br />
für maschinelles Lernen sowie der Analyse von<br />
Spektraldaten. Dies konnte in der ersten Projektphase<br />
durch Tests im Labor bereits er-folgreich nachgewiesen<br />
werden.<br />
Ergänzt wird die Methode durch satellitengestützte<br />
Multispektralaufnahmen. Mit den Satellitenbildern lassen<br />
sich große Obstanbauflächen erfassen. „Wir wollen<br />
die Hyperspektralaufnahmen und die Satellitenbilder<br />
kombinieren, um ein Früherkennungssystem aus der<br />
Luft zu etablieren. Mit der an einer Drohne befestigten<br />
Hyperspektralkamera erkunden wir eher kleinere Flächen<br />
wie eine einzelne Plantage“, sagt Knauer. Auch mit<br />
den Satellitenaufnahmen konnten die Forscherteams<br />
kranke und gesunde Bäume bereits voneinander unterscheiden.<br />
An der Drohne ist neben der Hyperspektralkamera<br />
ein Rechner montiert, der die Messdaten aufzeichnet<br />
und auf die Server überträgt. Die Aufnahmen werden<br />
mit geografischen Informationen verknüpft und<br />
kartiert. Das Ergebnis ist eine hyperspektrale Karte mit<br />
geographischen Koordinaten. Zu jedem Bildpunkt wird<br />
ein Spektrum geliefert, das im Anschluss analysiert<br />
wird.<br />
Digitale Bewertung mit Drohne<br />
und maschinellem Lernen<br />
Der Clou: Um die krankhaften Veränderungen der Pflanze<br />
anhand der digitalen multi- und hyperspektralen Signaturen<br />
zu erkennen, nutzen die Projektpartner Verfahren<br />
des maschinellen Lernens. Sie trainieren und kombinieren<br />
verschiedene statistische Modelle und neuronale<br />
Netze mit Hilfe der Ergebnisdaten aus der visuellen Bonitur<br />
und der molekularen Analyse. Die so entwickelten<br />
Algorithmen ermöglichen dann eine spezifische Detektion<br />
von Apfeltriebsucht und Birnenverfall.<br />
Im Herbst dieses Jahres standen Feldmessungen und<br />
Testflüge mit der Hyperspektraldrohne an, um im Anschluss<br />
sowohl Sensorik als auch Modellierungsverfahren<br />
optimieren zu können. Das Forschungsvorhaben<br />
wird von der Landwirtschaftlichen Rentenbank gefördert.<br />
Zum Projektende im Jahr 2022, so hoffen die Forscher,<br />
soll die Fernerkundungsmethode mittels Erfassung<br />
und Auswertung spektraler Daten Pflanzenschutzdiensten,<br />
Obstanbauern und Genossenschaften als<br />
Dienstleistung zur Verfügung stehen.<br />
■<br />
Dieser Baum ist mit Apfeltriebsucht<br />
infiziert und zeigt die Symptome<br />
Rotlaubigkeit und Kleinfrüchtigkeit<br />
Bild: Wolfgang Jarausch/Alplanta<br />
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58 <strong>Quality</strong> <strong>Engineering</strong> <strong>05.2020</strong>
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Verlagsleiter:<br />
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