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Digitale Zwillinge aus virtuellen Baugruppen - Serie der Grundlagen

TAE-Serie Grundlagen der Technik: Teil 1
Digitale Zwillinge aus virtuellen Baugruppen

Mithilfe virtueller Baugruppen werden digitale Zwillinge realisiert, die nicht vom realen System zu unterscheiden sind. Durch die Kombination realer und virtueller Komponenten können Unternehmen eine Anlage bereits in der Konzeptphase „betreiben“. Sie führen damit reale Inbetriebnahmen an virtuellen Komponenten durch und nutzen ihre Schattenanlagen parallel zur realen Produktion.

Oliver Riedel, Christian Scheifele, Institut für Steuerungstechnik der Werkzeugmaschinen und Fertigungseinrichtungen (ISW), Universität Stuttgart; Hanna Kuhn, Christian Daniel ISG Industrielle Steuerungstechnik GmbH

Inhaltsverzeichnis

1. Virtueller Zwilling „doubelt“ reale Komponenten
2. Virtuelle Inbetriebnahme im Millisekunden-Takt
3. Großanlagen beliebig erweitern
4. Virtuelle Produktion – ganz real
5. Zu dieser Serie

 

Unternehmen können Maschinen und Anlagen heute nur wirtschaftlich, in hoher Qualität und mit kurzen Lieferzeiten herstellen, wenn sie diese weitgehend aus wiederverwendbaren Modulen (zumeist mechatronischen Baugruppen) konfigurieren. Virtuelle Baugruppen, die sich hinsichtlich der Schnittstellen, des Verhaltens in Steuerungsechtzeit und der Parametrierung 1:1 wie reale Baugruppen verhalten, ermöglichen die Erstellung digitaler Zwillinge, die ihren realen Gegenübern zu 100 %entsprechen. Sie dienen als Grundlage für belastbare Integrations- und Systemtests, mit denen Unternehmen neue beziehungsweise adaptierte Produktionsanlagen noch vor dem Produktionshochlauf hinsichtlich Qualität und Performance absichern können. Die Aufwände solcher Tests können durch Methoden der Testautomatisierung reduziert und dabei die Testqualität massiv gesteigert werden. Die Voraussetzung sind Hardware-in-the-Loop Echtzeitsimulationssysteme mit virtuellen Baugruppen, die Anwender oder Testautomaten durch reale Steuerungen im Sinne eines Systemtests steuern. Das Simulationssystem steht bereits in der Entwicklungsphase allen Unternehmensbereichen als Integrationsplattform zur Verfügung. Es begleitet die Anlage über ihr gesamtes Produktleben und ist jederzeit verfügbar für virtuelle Inbetriebnahmen, Anlagenoptimierungen im Betrieb, Fernwartung, Mitarbeiter- und Kundenschulungen etc. Simulationsmodelle gestatten Planungsansätze, die die reale Welt möglichst ohne Einschränkungen abbilden, um flexible und rekonfigurierbare Produktionsanlagen verwirklichen zu können. Die virtuellen Baugruppen sind in einer Bibliothek abgelegt und unterstützen den schnellen Aufbau neuer virtueller Anlagen. Mit Ansätzen zur automatischen Modellgenerierung kann der wirtschaftlichen Einsatz Digitaler Zwillinge im Entwicklungsprozess neuer Kundenlösungen durch eine massive Reduzierung der Aufwände bei der Modellerstellung gewährleistet werden.

Virtueller Zwilling „doubelt“ reale Komponenten

Ein digitaler Zwilling aus virtuellen Komponenten verhält sich an den Schnittstellen (in Steuerungsechtzeit) und hinsichtlich der Funktionalität (Logik, Kinematik, Dynamik und Materialfluss) wie die realen Komponenten. Somit können Maschinen- und Anlagenbauer Parameter der realen Komponenten, zum Beispiel der Positionierantriebe, inklusive der Betriebsarten 1:1 bidirektional austauschen. Digitale Zwillinge sind in allen Phasen des Lebenszyklus einer Produktionsanlage wichtig: In der ersten Phase „Design“ geht es um die Absicherung komplexer Anforderungen aus der geplanten Produktion, schnelle Entwicklungszyklen und die Erfüllung strenger, regulatorischer Anforderungen. Der zweite Schritt ist die „Herstellung“ (manufacturing), in der der Zwilling für mehr Effizienz, Qualität und eine reibungslose Überführung in die Produktion (inklusive Factory Acceptance Test (FAT)) sorgt. In der dritten Phase „Nutzung“ (operation) dient er einer besseren Verfügbarkeit der Maschinen und ermöglicht die Implementierung neuer Service-Konzepte. Im letzten Schritt, der „Wiederverwertung“ (recycling) sorgt der digitale Zwilling für die Ersatzplanung oder eruiert das Upcycling-Potenzial. Zur Steigerung der Abbildungsgenauigkeit virtueller Komponenten wird die Bereitstellung eines digitalen Zwillings der Komponente direkt vom Komponentenlieferanten erforderlich. Hierzu werden derzeit neutrale, einheitliche Datenschnittstellen mit einem einheitlichen Datenformat zum Austausch von (Teil-)Modellen diskutiert.

Virtuelle Inbetriebnahme im Millisekunden-Takt

Die Inbetriebnahme einer Anlage gehört zu den kritischsten Phasen bei der Realisierung flexibler Produktionsanlagen. Die Geschwindigkeit und Qualität des zugehörigen Produktionshochlaufs beeinflusst die Kosten des Produkts bei kleinen Losgrößen überproportional. Durch die vorgezogene Inbetriebnahme realer Steuerungen an echtzeitfähigen virtuellen Komponenten können Anwender diese Phase signifikant beschleunigen und qualitativ verbessern. Anders als bei aufwendigen und kostspieligen „Trial-and-Error-Konzepten“ an realen Anlagen ist es möglich, die Inbetriebnahme vollumfänglich ohne Risiken bis hin zum FAT durchzuführen. Bei innovativen Echtzeit-Simulationssystemen lassen sich nicht nur die Steuerungstechnik (PLC, CNC) einer Maschine, sondern sogar kompletter Anlagen über die jeweiligen realen Feldbusse an ein Simulationssystem anschließen (Hardware-in-the-Loop-Simulation). Neue Ansätze im Bereich der Echtzeit-Co-Simulation ermöglichen eine enorme Leistungssteigerung und damit eine massive Steigerung der abbildbaren Modelltiefe durch eine parallelisierte Simulation auf Multi-Core Prozessoren.

Großanlagen beliebig erweitern

In Echtzeit-Co-Simulationsarchitekturen aber auch durch ein Clustering von mehreren Simulationsrechnern in verteilten Simulationsarchitekturen können Unternehmen auch Großanlagen simulieren und beliebig erweitern – Rechenleistung spielt dabei keine Rolle mehr. Das Simulationssystem testet im Detail das Zusammenspiel zwischen mehreren Steuerungssystemen und der späteren Produktionsanlage in Bezug auf Qualität, Performance und bestimmte Produktionsabläufe – und das in Steuerungsechtzeit, im Millisekunden-Takt. Die Ergebnisse können Anwender dann ohne Einschränkungen auf die reale Anlage übertragen. Zudem haben sie die Möglichkeit, mit einer Simulationslösung neue Konzepte zu analysieren und vorab zu prüfen – ohne kostspielige Prototypen herstellen zu müssen. Die Fabriksimulation ermöglicht deterministisch exakte Performance-Aussagen unter Berücksichtigung aller Komponenten und Baugruppen. Zudem arbeiten verschiedene Unternehmensabteilungen, etwa mechanische und Elektrokonstruktion, Produktion, IT und Vertrieb, so enger zusammen: Auf Basis der Simulation können sie gemeinsam diskutieren, welche Lösung die beste ist, und dies unmittelbar prüfen.

Virtuelle Produktion – ganz real

Anlässlich der Stuttgarter Innovationstage (12./13. Februar 2019) wird basierend auf best-practice-Anwendungen zum Thema „Virtuelle Produktion“ berichtet. Neben dem Einsatz bestehender Methoden auf Basis des Digitalen Zwillings zeigen die Vorträge neue Technologien im zukünftigen Einsatz im Maschinen- und Anlagenbau auf. Ihre Teilnahme zugesagt haben u.a. Referenten der BMW AG, Homag Group, Heitec AG sowie der ISG Industrielle Steuerungstechnik GmbH. Es wird gezeigt, wie die Einführung eines Simulationssystems in den Engineering-Prozess zu ausgereiften Systemen führt, die die hohen qualitativen Anforderungen an eine Produktionsanlage erfüllen. eve

www.isg-stuttgart.de

www.isw.uni-stuttgart.de

Zu dieser Serie

Zusammen mit der Technische Akademie Esslingen e.V. stellt die KEM Konstruktion in dieser Grundlagenserie Hintergründe und praktische Einsatzszenarien in aktuellen Technikfeldern zusammen. Tipps zu passenden Seminarangeboten erleichtern die Planung einer praxisorientierten Weiterbildung.

www.tae.de

Details werden in Seminaren der Technischen Akademie Esslingen (TAE) vorgestellt.

Näheres und Anmeldung unter:

Zertifizierter Projektmanager für sichere Industrieroboteranlagen; 25.03.2019 – 29.03.2019: hier.pro/f8nVF

Effiziente Fertigungsplanung und Fertigungsplanerstellung; 02.04.2019 – 03.04.2019:

hier.pro/SkL9g

Digital Leadership: Neue Arbeitswelt braucht neues Führen; Termin in Planung: hier.pro/vKneg


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